Mister Cool und Lady Crazy - Andersen, S: Mister Cool und Lady Crazy
in Richtung der Toiletten und spazierte davon. Als sie über die Schulter einen Blick zurückwarf, sah sie, wie Mike sich auf ihren Stuhl setzte und zu Janna vorbeugte.
Auf dem Weg zur Damentoilette wurde sie von einem Typen aufgehalten, der einmal mit ihr ausgegangen war und danach kräftig zu der Gerüchteküche über sie beigetragen hatte. Und jetzt erklärte er ihr, wie toll er ihre Videos fand. Alle anderen, die damals diese Geschichten über sie verbreitet hatten, waren wenigstens klug genug, einen weiten Bogen um sie zu machen.
Sie machte aber gute Miene zum bösen Spiel und entschuldigte sich dann höflich. Kaum war sie ihn losgeworden, als eine Frau, die sich früher angenehm neutral verhalten hatte, sie fragte, ob sie mit ihr und ihrem Mann auf einem Foto posieren würde. Macy sagte, sie wäre entzückt.
Es war das vierte Mal an diesem Abend, dass sie gebeten wurde, sich mit einem ihrer Klassenkameraden fotografieren zu lassen, und doch war sie jedes Mal wieder überrascht, dass die Leute so etwas wollten.
Überrascht und, um ehrlich zu sein, geschmeichelt. Der Abend stellte sich als viel angenehmer heraus, als sie gedacht hatte, und als sie von der Toilette kam, plauderte sie vor dem Spiegel mit zwei Frauen namens Jenny und Lisa, während sie frischen Lippenstift auftrug.
„Was für ein wunderschönes Kleid“, sagte Jenny. Macy blickte grinsend an dem kleinen silberblauen Kleid herab, zu dem sie ihre hochhackigen blauen Peep-Toe-Pumps im Vierzigerjahre-Stil trug. Sie war mehr oder weniger genauso gekleidet wie die anderen Frauen an diesem Abend. Das Augen-Make-up war vielleicht etwas dramatisch ausgefallen, aber wie sich herausstellte, bei den meisten ihrer Klassenkameradinnen auch.
„Tolles Make-up“, fügte Lisa hinzu. „Wie bekommst du nur so einen makellosen Teint hin? Hast du einfach so tolle Haut?“
„Zum Teil mag es daran liegen, dass ich die Haut meiner Mutter geerbt habe, aber vor allem liegt es an jeder Menge Diorskin Nude Mineralpuder“, antwortete sie prompt. „Das wird mit Mineralwasser hergestellt und setzt sich nicht in jeder Pore oder Falte ab. Meine Lieblingsvisagistin hat mich darauf gebracht – sie hat das bei mir immer benutzt.“
Lisa seufzte enttäuscht. „Das hatte ich befürchtet. Ist so ein spezielles Produkt, das man nur in Hollywood bekommt, oder?“
Macy lachte. „Schätzchen, das bekommst du in fast allen Kaufhäusern. Du solltest das nächste Mal nachsehen, wenn du in Wenatchee bist.“ Sie musterte einen Moment lang Lisas Make-up. „Du brauchst einen Lippenstift in einem wärmeren Ton“, verkündete sie, während sie ihr Kosmetiktäschchen durchwühlte. Da sie bei ihrer Abreise aus Kalifornien nicht daran gedacht hatte, ein Abendtäschchen mitzubringen, trug sie ihre normale Handtasche mit dem üblichen Krimskrams darin bei sich.
Als sie den gesuchten Lippenstift gefunden hatte, fischte sie ihn heraus „Hier. Diese Farbe heißt All Heart.“ Sie zog ein Papiertuch aus der Schachtel neben dem Waschbecken, wischte die erste Schicht von dem Lippenstift und reichte ihn der anderen Frau. „Wenn es dir nichts ausmacht, dass er nicht neu ist, kannst du ihn gerne ausprobieren.“
Lisa zögerte keine Sekunde. Sie nahm sich selbst ein Tuch, wischte ihren Lippenstift ab, beugte sich zum Spiegel und trug den von Macy auf. Dann ging sie einen Schritt zurück, um ihr Aussehen zu inspizieren.
„Oh mein Gott“, strahlte sie. „Das sieht viel besser aus.“
„Allerdings“, stimmte Jenny ihr zu. „Das ist wie in der Episode in The Closer, als Chief Brenda Leigh überredet wird, ihren knallroten Lippenstift gegen einen in dieser Farbe zu tauschen, und danach viel, viel hübscher aussieht.“
„Mann“, keuchte Lisa leise und starrte Macy ehrfürchtig an, als ob sie Angelina Jolie und Cameron Diaz in einer Person wäre. „Woher weißt du das alles? Du musst ein echt glamouröses Leben führen.“
Macy lachte. „Nö. Ich habe nur eine Menge Zeit in Schminkstühlen verbracht. Da macht man entweder ein Nickerchen oder man passt eben auf.“ Sie zuckte die Schultern. „Ich habe beides getan.“ Sie deutete auf den Lippenstift in Lisas Hand. „Wenn du möchtest, kannst du ihn behalten.“
„Danke. Das würde ich wirklich gern, weil ich schon jetzt die Vorstellung schlimm finde, meinen alten wieder aufzulegen, wenn der hier verwischt ist.“ Sie zögerte kurz, dann sagte sie mit ernster Stimme: „Weißt du, ich schulde dir seit ewig langer Zeit schon eine
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