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Mister Mädchen für alles

Mister Mädchen für alles

Titel: Mister Mädchen für alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Sanders
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Frau, das ihm unvermutet einen Schauer über den Rücken jagte. Dieses Profil nämlich übte schon seit den frühen Sechzigerjahren eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Männer aus,und zwar auf Alt wie Jung gleichermaßen. Die kurze, gerade Nase, die volle Unterlippe und das mittlerweile weißgewordene Haar, das die Frau mit einer Samtschleife im Nacken zusammengebunden trug, wie in jenem bahnbrechenden Film mit Terence Stamp. Sie drehte sich um und blickte ihm geradewegs ins Gesicht, ihre weit auseinanderstehenden, katzenhaften Augen fixierten ihn an Ort und Stelle.
    Er merkte, dass er den Atem angehalten hatte. «Sie sind
die Ranke
», rief er aus.
    Sie zuckte mit den Schultern, und eine Andeutung ihres bezaubernden Lächelns kräuselte ihre Mundwinkel. «Natürlich bin ich das, Schätzchen. Und Sie sind, wie ich annehme, der ‹vertrauenswürdige Freund›, den mir dieses elende Ding geschickt hat. Sollten Sie hingegen hier sein, um mich zu vergewaltigen und diese Wohnung zu brandschatzen, dann müsste ich Sie auf morgen vertrösten, wenn meine Tochter wieder zu Hause ist.»
    Frankie war bewusst, dass er sie angaffte, aber irgendwie brachte er es nicht fertig, den Mund zu schließen. Das also war Alex’ Mutter. Die Ikone des Swinging London, ein Model der Beatnik-Zeit, das zur Schauspielerin und später zur Leinwandgöttin aufgestiegen war. Mit ihrer hochgewachsenen Gestalt und der gertenschlanken Figur, die ihr ihren Spitznamen eingebracht hatten, saß sie nun vor ihm. Ella hatte nicht wissen können, mit wem sie es zu tun hatte. Er hatte von einem Moment wie diesem geträumt, hatte sich ausgemalt, was er sagen und wie er sich verhalten würde. Doch alles, was er nun fertigbrachte, war, sie wie ein Goldfisch anzuglotzen. Die Ranke übernahm das Ruder.
    «Ich verzehre mich nach einer Tasse Tee.» Sie musterte ihn von oben bis unten. «Sie sind doch imstande, eine TasseTee zuzubereiten, nicht wahr? Denn Ihre Freundin ist in dieser Hinsicht vollkommen nutzlos.»
    Er gewann seine Stimme zurück. «Sie ist meine Schwester, um ehrlich zu sein.»
    Die Ranke warf ihm einen unerschrockenen Blick zu. «Dann hoffe ich, dass es nichts Genetisches ist», gab sie kurz angebunden zurück. Frankie lächelte.
    «Lapsang, oder?»
    Sie klatschte in die Hände und verdrehte die Augen nach oben. «Dem Himmel sei Dank! Endlich jemand mit Manieren. Und vielleicht bekomme ich auch noch ein weichgekochtes Ei?»
    Frankie nickte und war noch immer wie benommen. «Hätten Sie gern eine Scheibe Toast dazu?»
    «Großartig. Aber nicht zu dunkel getoastet, Schätzchen.»
    «Was darf es darauf sein?»
    Die Ranke zuckte elegant mit den Achseln. «Wenn Sie in diesem Höllenloch etwas Butter finden können. Ich befürchte, dass der Gaumen meiner Tochter ein wenig ungeschliffen ist. Das Beste, was Sie wahrscheinlich im Kühlschrank finden werden, ist eine Dose mit diesem absolut unaussprechlichen Zeug, das man sich auf das Brot streichen kann.»
    Er ging in die Küche, wo er neben den Autoschlüsseln die Aufgabenliste fand, die Alex vor ihrer Abreise dort hingelegt hatte, sowie einige Informationen zu dem ambulanten Krankenhaustermin. Nachdem er das verlockendste Frühstück auf ein Tablett gezaubert hatte, das ihm die fast leeren Küchenschränke erlaubten, kehrte er zu der Ranke zurück und beobachtete mit Freude, wie sie die kleinen, dreieckig geschnittenen Toaststücke anmutig mit den Fingernaß, ihren Tee trank und nach einer weiteren Portion verlangte. Als sie fertig war und sich mit einem zufriedenen Seufzer in ihren Stuhl zurückgelehnt hatte, begann er, die Aufgabenliste abzuarbeiten. Er nahm sich den Berg Bügelwäsche vor, den Ella am Vortag nicht geschafft hatte, machte das Bett und saugte die Wohnung, wobei die Ranke ihn von ihrem Stuhl am Fenster aus genauestens beäugte, sobald er in Sichtweite kam. Als der Termin im Krankenhaus näher rückte, schloss die Ranke die Badezimmertür fest hinter sich, und Frankie hörte, wie sie das Wasser aufdrehte. Sie duschte. Es kam ihm merkwürdig vor, ihr als alten Dame gegenüberzustehen. Sie war damals durch jenes Kultfoto von Terry Donovan berühmt geworden, das Frankie, wie viele andere Studenten auch, an seiner Wand hängen hatte.
    Als sie wieder auftauchte, war sie in eine Duftwolke gehüllt, schick gekleidet und wirkte trotz ihres makellos aufgetragenen Make-ups ziemlich nervös. Sie umklammerte fest seinen Arm, als sie gemeinsam die Treppe nach unten stiegen. Als er mit der Ranke auf

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