Mister Mädchen für alles
Ranke meist zu spät zu Schulveranstaltungen und Sportwettkämpfen (womit sie Alex gründlich verärgerte, die in allem brillierte und sämtliche Medaillen einheimste), doch ihre Ankunft löste immer einen kleinen Tumult aus, besonders ganz am Anfang, als sie noch als eine Ikone galt.
Die Ranke fuhr immer einen kleinen Sportwagen und hatte Champagner und Pimm’s auf der Rückbank, den sie in Pappbechern an die Mädchen verteilte, damit keiner der Lehrer merkte, dass sie Alkohol tranken. Und wenn sie Alex’ sämtliche Freundinnen umarmte, hüllte sie sie dabeiimmer in eine Duftwolke ein. Alex hingegen verzog sich lieber, und Saff traf sie häufig bei ihren eigenen Eltern an, mit denen sie beim Teetrinken im Wohnmobil saß – ein Fahrzeug, das Saff auf einem Parkplatz voller Mercedes’ und BMWs überaus beschämend fand. Sie hatten oft darüber gescherzt, dass sie ihre Eltern tauschen sollten. Alex’ Vater, der ausgesprochen charmante und schneidige Johnny, war auf derartigen Veranstaltungen nie anzutreffen – er war immer auf irgendeiner nicht weiter definierten Geschäftsreise gewesen –, und die Ranke, die es hasste, ohne Gesellschaft zu sein, kam dann in Begleitung eines Schauspielkollegen, mit dem sie gerade arbeitete. Einmal tauchte sie mit einem Typen auf, der so atemberaubend gut aussah, dass die Mädchen nur dastanden und ihn anstarrten, während er teilnahmslos in Lederjacke und Jeans vor ihnen saß, den Blick hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen.
Als Saff um die Ecke bog, bemerkte sie, dass die Kirschbäume in Alex’ Straße zu prallem Pink erblüht waren, und sie war entspannt, ja fast gutgelaunt, als sie das Auto parkte und den Parkschein auf das Armaturenbrett legte. Sie freute sich auf die Ranke. Es kam ihr merkwürdig vor, sie in Alex’ spärlich und lieblos eingerichteter Wohnung verschanzt zu sehen. Saff klingelte und wartete. Es dauerte eine Weile, bis der Hörer der Gegensprechanlage abgehoben wurde.
«Ja, hallo?»
«Hallooo! Ich bin’s.»
«Wer ist denn da?» Die Stimme der alten Dame klang hohl und nervös.
«Ich bin’s, Saff.»
Einen Augenblick lang herrschte Stille. «Ich bin geradeziemlich beschäftigt, Liebes. Könnten Sie ein anderes Mal wiederkommen?»
Das klang ganz so, als stimmte etwas überhaupt nicht, und Saff machte sich plötzlich Sorgen. Kurz schoss ihr der lächerliche Gedanke durch den Kopf, dass sie einen Liebhaber bei sich haben könnte. Vielleicht wurde sie aber auch als Geisel gefangen gehalten. Sie blickte sich um, obwohl sie sich nicht sicher war, was sie vorzufinden hoffte, und drückte erneut auf den Klingelknopf. «Liebe Ranke, können Sie bitte öffnen? Ich bin den ganzen Weg hierhergefahren, um kurz hallo zu sagen.»
Wieder herrschte lange Stille. «Na gut, Liebes, aber nur kurz. Ich … ich muss mir noch die Haare waschen.» Saff drückte die Tür auf, als sie den Summer hörte, und stieg hinauf zu Alex’ Wohnungstür, die zaghaft von der Ranke geöffnet wurde. Saff fiel auf, dass ihre Frisur makellos war und ihre Umarmung zur Begrüßung, bei der jener vertraute Hauch Arpège mitschwang, nicht so begeistert ausfiel wie sonst.
«Hallo, Saffron, Liebes. Kommen Sie rein. Ich sitze gerade im Wohnzimmer … wo auch sonst, nicht wahr?» Sie führte Saff durch den Raum, als sei sie vorher noch nie hier gewesen. Um das Sofa herum hatte sich die Ranke eine Art Lager aus verschiedenen Ausgaben der
Vogue
, Nagellack und einem riesigen Papierstapel errichtet, der bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Drehbüchern von Max besaß.
«Wollen Sie für eine Rolle vorsprechen?» Saff linste auf die Unterlagen. «Steht etwa Ihr längst überfälliges Comeback an?»
«Großer Gott, nein.» Irritierenderweise hob die Ranke die Skripte vom Boden auf und stopfte sie unter das Polster.«Darf ich Ihnen etwas anbieten?» Fragend zog sie die perfekt gezupften Augenbrauen hoch. Einen Moment lang fühlte sich die Situation unangenehm an. Es wäre ja schon einmal ein Anfang, wenn ich mich setzen dürfte, dachte Saff. Doch statt ihr einen Stuhl anzubieten, trat die Ranke nervös von einem Fuß auf den anderen.
«Äh, ja, eine Tasse Tee wäre schön, aber wo ist denn Ella? Kann sie das nicht übernehmen?»
«Ella?» Die Augenbrauen der Ranke rutschten so hoch, dass sie fast ihren Haaransatz zu berühren schienen. «Ella, ja. Sie ist beschäftigt. Sehr beschäftigt. Also, eigentlich ist sie unterwegs!»
«Verstehe», antwortete Saff langsam und war sich nicht
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