Mister Mädchen für alles
auf dem Babyfotos von den Kindern standen. Oscar lächelte zahnlos, und daneben war ein Bild von Max an ihrem Hochzeitstag. Sein Gesicht mit den vielen Lachfalten blickte in die Kamera und sah sie direkt an. Damals hatte er noch mehr Haare, und er wirkte so jung. Es war irgendwie merkwürdig, ein Bild von ihm auf ihrem Frisiertisch zu haben, wo er doch jede Nacht neben ihr schlief, dochin seinem Gesichtsausdruck lag so viel Hoffnung, dass sie es dort stehen ließ. Damals hatte er noch als Produzent bei der BBC gearbeitet und immer davon gesprochen, dass er eines Tages wirklich wichtige Fernsehproduktionen drehen würde, mit denen er Preise gewinnen würde. Und dass sie immer an seiner Seite bliebe. Daran hatte es keinen Zweifel gegeben.
Die Klarinettenstücke hatten jetzt aufgehört, doch sie hatte nicht die Kraft, nach unten zu gehen und schon wieder mit der Peitsche zu knallen. Sie wandte den Kopf und starrte wieder an die Decke. Sie war immer da gewesen, um sich Max’ Ideen anzuhören und mit Stolz zu verfolgen, wie er sich mit seinem Kumpel Neil selbstständig machte und Offcut gründete – eine ungewöhnliche Produktionsfirma, die binnen sechs Jahren eine Reihe von Preisen gewonnen hatte und in der Branche zu einigem Einfluss gelangt war. «Du tust doch sonst den ganzen Tag nichts anderes.» Die Worte taten ihr weh, aber warum? Weil dem nicht so war. Sie wusste, dass sie sich damit rechtfertigte, für alle eine große Unterstützung zu sein und den Großteil dazu beizutragen, dass das Leben in seinen gewohnten Bahnen verlief. Doch den Spaß hatten die anderen.
«Na, dir scheint es ja gut zu gehen.»
Saff zuckte zusammen, als sie die Stimme hörte, und setzte sich auf. «Hallo, du bist spät dran.»
Max rieb sich mit einer Hand erschöpft über das Gesicht und setzte sich dann auf die Bettkante neben sie. «Ich habe mit Greta Dunant zu Mittag gegessen, um ihr Drehbuch mit ihr zu besprechen, und danach sind wir noch gemeinsam ins Büro zurückspaziert. Das Drehbuch ist toll, aber wir gehen ein ziemliches Risiko damit ein. Ich habe so einige Bedenken.»
«Weshalb?»
Er winkte ab. «Ach, die Sache ist ein bisschen kompliziert. Das ist schwer zu erklären.» Offenbar war «die Sache» etwas, das Saff nicht verstehen würde. Wie nutzlos ich bin, dachte sie mit einem Mal. Oscar hatte dies deutlich zum Ausdruck gebracht, Millie brauchte ihre Hilfe beim Baden nicht mehr, und Max hielt es nicht für nötig, ihr zu erklären, worin seine Bedenken bestanden. Greta hingegen hätte ihn sicherlich verstanden.
«Stehst du auf sie?»
Max drehte sich zu ihr und betrachtete sie im Profil. «
Was
?», prustete er lachend los.
«Greta. Ob du ihre Intelligenz attraktiv findest, ob sie dich anmacht? Ist es so?» Saff spürte, wie ihr der Hals brannte und ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie sah ihn flehentlich an.
«Saff, Liebes, wovon redest du?» Er berührte ihr Gesicht und wischte eine Träne mit dem Daumen weg.
Saff senkte den Blick auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. «Ich bin nur ein wenig verunsichert, das ist alles.» Max legte ihr eine Hand unters Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich heran.
«Saff, mein Schatz, nein, ich stehe nicht auf sie. Sie hat Übergewicht, ist ziemlich behaart. Außerdem läuft sie in schrecklichen Schuhen herum, die aussehen wie die Dinger, die Millie im Kindergarten getragen hat. Und sie hat eine Mitbewohnerin auf Lebenszeit namens Helen.»
«Oh.» Saffron lächelte verlegen. «Verstehe.» Max gab ihr einen Kuss auf die Nase.
«Du, mein Herz, bist alles, was ich möchte, und ich habe nicht vor, dich für irgendeine Lesbe in den Wind zu schießen, auch wenn sie eine großartige Drehbuchautorinist. Und jetzt serviere mir mein Abendessen, Weib!» Er tätschelte ihr zärtlich das Knie.
Am nächsten Morgen musste sich Saff trotz Sonnenschein und Vogelgezwitscher vor ihrem Fenster aus dem Bett quälen. Als der erste Vogel um kurz vor vier sein Morgenlied angestimmt hatte, war sie aufgewacht und hatte von da an wachgelegen und zugehört, wie ein Vogel nach dem anderen einstimmte. Während Max sanft neben ihr schnarchte, hatte sie ihre Abgründe ausgelotet. Wer bin ich? Was ist meine Bestimmung? Warum rase ich auf die vierzig zu und habe nichts vorzuweisen? Während sie an die Decke starrte, dachte sie an Alex und wie sehr ihre Talente gefragt waren. Obwohl sie schon zu Schulzeiten sehr enge Freundinnen waren, war Alex in Sachen Karriere und Job schon immer sehr ehrgeizig
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