Mister Mädchen für alles
lustig, leiste mir weiterhin schrecklichen Nippes und setze mein Geld auf nutzlose Pferde, als wäre ich steinreich.» Dabei hatten sie es sich die ganze Zeit über in
ihrer
Wohnung gemütlich gemacht. In ihrer winzigen Bude, die alles war, was sie sich leisten konnte, nachdem ihre Mutter das restliche Geld abgesahnt hatte, um ihre Schulden zu bezahlen. Doch immerhin gehörte diese Wohnung ihr. Hier war der Ort, an dem sie ganz sie selbst sein konnte, keine überarbeitete Karrierefrau oder die Tochter einer abgehalfterten Schauspielerin. Oder die traurige, alleinstehende Freundin einer Heim-Starköchin, die genug Zeit hatte, um nachmittags Poker zu spielen.
Sie griff nach ihrer Tasche und wollte sich gerade in ihr Schlafzimmer begeben, als sie im Vorbeigehen ihr Spiegelbildentdeckte. Da stand sie, hohläugig, aschfahl und mit schlaffem Haar. Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine Stressfalte gebildet. Wer war diese Frau? War sie es, für die sie sich abrackerte? Eine, die viel zu beschäftigt war, um ein echtes Leben zu führen, eine mit einer nebenherlaufenden Beziehung und niemandem, dem sie vertrauen konnte? Sie merkte, wie ihre Lippen zu beben begannen, und wandte sich angewidert ab.
Kapitel 21
Frankie nahm erneut den Hörer ab, um zu prüfen, ob sein Telefon noch funktionierte. Dann checkte er zum wiederholten Male seine E-Mails : Doch da waren nur ein paar Angebote für Viagra oder besser für vi*a*gra, ein schlauer Spam-Trick, gegen den sein Computer sich offenbar nicht wehren konnte. Er seufzte und sah sich zur Ablenkung in der Wohnung um. Es gab nichts mehr, was er noch aufräumen oder putzen konnte. Also lief er im Zimmer auf und ab und raufte sich dabei das ordentlich frisierte Haar, bis es ihm in alle Richtungen vom Kopf abstand. Das Vorsprechen heute war seine große Chance gewesen – vielleicht seine einzige große Chance. Und er hatte es vermasselt. Er wollte jetzt niemanden sehen – nicht einmal Ella. Ihre vorlaute Art machte alles nur noch schlimmer. Und sie hatte mit Sicherheit kein Verständnis dafür, wie sehr ihm die ganze Angelegenheit mit Alex zugesetzt hatte. Einmal abgesehen vom nun fehlenden Einkommen, das sein Versagen mit sich brachte, konnte Ella nicht verstehen, wo sein Problem lag. Heute Morgen beim Frühstück hatte sie sich extra gutgelaunt gegeben.
«Du könntest im Kino arbeiten, so wie ich damals. Du wärst perfekt für den Job – du schläfst nie ein, wenn ein Film läuft, oder? Und bis zur letzten Zeile des Abspanns sitzen zu bleiben ist doch wirklich typisch für dich! Vielleicht solltest du aber deinen Nachnamen ändern, wenn du dich bewirbst. Egal, sieh die Sache doch von der positiven Seite. Jetzt hast du mehr Freizeit. Du musst die Wäsche dieserFrau nicht mehr bügeln. Und du musst keine Zeit mehr mit dieser merkwürdigen alten Dame verbringen. Ja, ich weiß, dass du sie mochtest. Deswegen finde ich dich auch ein wenig merkwürdig. Aber im guten Sinne. Wir sehen uns dann später. Jetzt muss ich zur Arbeit, tralala!»
Frankie setzte sich hin und versuchte, die Zeitung zu lesen. Vorhin war er losgegangen, um sie sich zu besorgen. Es war ein Trick gewesen, um das Telefon zum Klingeln zu bringen, aber nicht einmal das hatte geklappt. Arbeitslosenzahlen steigen! Na toll, dann gab es noch mehr Menschen, mit denen Frankie um einen Job konkurrieren musste. Wieder dachte er an die anderen Schauspieler, die im Proberaum in St. John’s Wood gewesen waren, um für die Rolle des angstgeplagten Joel vorzusprechen. Sie besaßen mit Sicherheit alle mehr Erfahrung als er, selbst wenn er das übliche Gebluffe einmal abzog. Frankie wusste aus eigener Erfahrung, dass man ungefähr dreißig Prozent von dem, was die anderen erzählten, vergessen konnte. Vor einem Vorsprechtermin stieg der Anteil auf vierzig und sogar bis zu sechzig Prozent, wenn es sich um eine Fernseh- oder Filmrolle handelte. Er hätte einfach sofort gehen und nicht noch abwarten sollen, bis er die Gelegenheit hatte, sich vor allen bloßzustellen. Doch nach der schrecklichen Auseinandersetzung mit Alex war alles, was die Ranke ihm beigebracht hatte, wie weggeblasen, als er für die Rolle vorsprechen sollte.
Frankie verbannte Alex aus seinem Kopf. Er hatte seine eigenen Sorgen, und es war ja nicht so, als hätte er nicht versucht, sich zu entschuldigen. Er hatte ihr drei Mal auf den Anrufbeantworter gesprochen und sogar einen Brief geschrieben. Es war sicher nicht sein Problem, wenn sie zu starrköpfig war,
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