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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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hatte, erkannte er wenigstens, was eigentlich mit ihm los war.
    Marilyn und er hatten für über ein Jahr fast ausnahmslos keusch gelebt, ein von seltenen Alkoholexzessen unterbrochenes Jahr, von langen Abenden bei den Aherns oder den Houks oder der Familie seines Bruders, an denen Sheppard Marilyns Drinks zählte und darauf wartete, dass sie irgendwann seinen Arm ergriff und ihm erzählte, der Raum drehe sich. »Bring mich nach Hause«, sagte sie. Er entschuldigte sie, half ihr ins Auto und, nachdem sie ihr Haus erreicht hatten, wieder heraus und beobachtete, wie sie lächelnd und taubstumm, den Bericht der Babysitterin über sich ergehen ließ, bis Sheppard das Mädchen endlich bezahlte und hinausbegleitete und sie die Treppe hochwanken durfte. Er schlug noch ein wenig Zeit in der Küche tot, wo er sich an den Kühlschrank stellte und Wasser mit Alka Seltzer trank, um sich schließlich, über ihr Bett gebeugt, zu entkleiden und dann auch sie so vorsichtig auszuziehen wie ein schlafendes Kind, wobei sie mal zufrieden murmelte, mal wütend protestierte. Schließlich legte er sich auf sie, küsste sie leidenschaftlich, zog ihre Hand an seinen Schwanz, den sie schlaftrunken massierte; er vergrub sein Gesicht zwischen ihren Schenkeln, nur um einen Hauch von Susan zu schmecken, er versuchte mit aller Macht, ihr Gesicht heraufzubeschwören, wenn Marilyn sich in einem wachen Moment auf ihm abrackerte; er trieb sein Vorstellungsvermögen bis an seine Grenzen, und manchmal war Susan für eine Sekunde tatsächlich da. In dem Fall packte er Marilyn an der Hüfte, hob sie an und schob sie von sich herunter, weil sie das Diaphragma nicht eingelegt hatte. Er warf das Laken über sie und kroch in sein Bett, so schockiert über sich selbst, dass er stundenlang nicht einschlafen konnte.
    »Oh Sam«, hatte Susan gesagt, »ich liebe dich auch.«
    Trotzdem trafen sie sich viel seltener als früher. Einmal in der Woche, höchstens. Manchmal kam es sogar vor, dass sie drei Wochen lang nicht miteinander sprachen. Teilweise war das der Situation geschuldet, denn inzwischen lebten Susan und Robert zusammen. Aber noch etwas anderes kam hinzu. Sie hatte sich verändert. Im Jahr ihrer Abwesenheit hatte sie zugenommen – etwa sieben Kilo. Es stand ihr gut. Er konnte ihre Rippen nicht mehr sehen, und ihre Hüften hatten sich leicht verbreitert. »Da oben«, erklärte sie, »essen die Leute nur Fleisch und Käse.« Außerdem hatte sie mit dem Rauchen angefangen, Chesterfields, so wie Marilyn, aber anders als seiner Frau schaute Sheppard ihr nur ungern beim Rauchen zu. Susan inhalierte und atmete fast im selben Moment wieder aus, ohne Genuss und vermutlich nur, weil sie es bei irgendeinem Filmstar gesehen hatte, wohingegen Marilyn kaum etwas mit mehr Genuss tat, als zu rauchen – wenigstens bei den seltenen Gelegenheiten, wenn er sie dabei erwischte.
    »Was ist denn?«, fragte Susan. Sie lagen in einem Motelbett. (Es war schon September.) Sie lag unter der Decke und hatte sich den Aschenbecher auf den Bauch gestellt. Sheppard schaute zu, wie sie die nur zur Hälfte gerauchte Zigarette ausdrückte.
    »Nichts«, sagte er.
    Sie stellte den Aschenbecher auf den Nachttisch und schlug die Decke beiseite. Um Schlüpfer und BH anzuziehen, kehrte sie ihm den Rücken zu. »Ich denke, wir sollten damit aufhören«, sagte sie. Sie fand ihren Rock, schlug ihn wie ein Handtuch aus und stieg hinein.
    »Wenn du willst.«
    »Ich möchte, dass du mich nicht mehr anrufst«, sagte sie. »Versprich es mir.« Als er nicht antwortete, wirbelte sie herum. »Ich habe gesagt, du sollst es mir versprechen!«
    »Ich verspreche es«, sagte Sheppard.
    Eine Woche später rief er wieder an. Ihr verblüfftes Schweigen und ihre Wehrlosigkeit bereiteten ihm ein seltsames Vergnügen. »Ich werde in einer Stunde im Perkins Motel sein«, sagte er. »Ich kann verstehen, wenn du nicht kommst.« Er wartete im Motelzimmer auf sie, hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, das Licht oder das Radio einzuschalten, sondern sich noch im Anzug aufs Bett gelegt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er hatte in Gedanken gewettet, wie lange sie wohl brauchen würde. Als sie zaghaft anklopfte, ließ er sie ein und setzte sich aufs Bett, während sie davor stehen blieb. Er zog sie zu sich herunter. Sie ließ sich küssen, zunächst widerwillig – auf die Wange, die Mundwinkel, den Mund –, und dann fanden sie schnell zu ihrer eingespielten Routine zurück …
    Natürlich, dachte Sheppard,

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