Mister Peanut
hat sie diesmal mehr zu verlieren.
Sie stand vor dem Spiegel und legte sich die Ohrringe wieder an. Als sie fertig war, stützte sie ihre Finger auf die Frisierkommode und betrachtete ihn im Spiegel. »Sam«, sagte sie, »ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«
Er konnte nicht anders, als zu lächeln und die Arme zu verschränken.
»Einen riesengroßen Gefallen.«
»Sprich es aus.«
»Ich möchte, dass du jetzt gehst.« Sie war den Tränen nahe. »Halte dich von mir fern, und suche nie wieder meine Nähe.« Sie wischte sich die Augen mit den Mittelfingern ab: eins, zwei. »Zwischen uns wird nichts mehr passieren. Also bitte, adieu … und viel Glück. Keine Diskussion. Geh einfach.«
»Jetzt sofort?«
»Ja.«
»Einfach so?«
»Ja.«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich glaube, du weißt, warum.«
»Dann sag es mir.«
»Nein, du sagst es mir .«
»Ich liebe Bob.«
Er sprang auf, stellte sich hinter sie und starrte sie über den Umweg des Spiegels an. »Wie kannst du, wenn du Bob liebst, hier bei mir sein?«
»Wie kannst du, wenn du deine Frau liebst, hier bei mir sein?«
»Vermutlich liebst du Bob auf dieselbe Weise, wie ich meine Frau liebe.«
Als er zum Krankenhaus zurückfuhr, bereute er seine Worte, die nichts waren als die bequemen Ausflüchte eines Schwächlings, schlimmer noch, eines Lügners. Immer öfter verwickelten sie sich in derartige Wortgefechte. Aber er hatte wirklich keine Lust, in Susans Gegenwart über seine Ehe zu sprechen. Seine Liebe zu Marilyn sollte unantastbar sein. Aber andererseits: Was wusste er eigentlich groß von der Liebe?
Er liebte die sonntäglichen Herbstnachmittage, wenn er am Boot werkeln, die Treppe zum Bootssteg ausbessern oder die Holzverkleidung streichen konnte. Er liebte diese Aufgaben, weil sie sich zu einem Ende bringen ließen, ganz im Gegensatz zu dem nicht abreißenden Patientenstrom im Krankenhaus, zum endlosen Kreisen um die Kranken und Zusammengeflickten, von denen immer neue eingeliefert wurden. Und nach getaner Arbeit konnte er Bier trinken und herumsitzen, ohne eine Störung befürchten zu müssen, er konnte auf dem Ausziehsofa vor sich hindösen, während ein Spiel der Indians oder der Browns im Radio lief, er konnte sich so wohlfühlen wie als Kind, wenn er auf den langen Autofahrten, die sie früher unternommen hatten, auf dem Rücksitz eingeschlafen war, während seine Eltern sich unterhielten. Im Oktober rollten sich die Blätter der Bäume am Uferweg ein und wurden knochentrocken, bis sie irgendwann so spelzig und brüchig waren wie die Panzer toter Käfer, schwarze Blätter, die im Schwall herunterkamen und auf der strahlend hellen Wasseroberfläche landeten, sobald ein Windstoß in die Äste fuhr. Der Rasen hinter dem Haus war von Kastanien, Zweigen und Eicheln übersät, das Gras hatte längst zu wachsen aufgehört. Er saß im Schaukelstuhl auf der Veranda und wollte gerade einschlafen, als Marilyn herauskam. Sie trug einen dicken Collegepullover und Jeans und lehnte sich ihm gegenüber an die Fliegentür.
»Heute habe ich Susan Hayes getroffen«, sagte sie.
Sheppard, plötzlich hellwach, nippte an seinem Bier.
»Wir haben uns im Supermarkt getroffen. Sie hat Hallo zu mir gesagt … woraufhin mir übel wurde, ehrlich. Was sollte das?«
Er stellte die Flasche auf den Boden, faltete die Hände über dem Bauch und fing zu schaukeln an.
»Du hast mir gar nicht erzählt, dass sie wieder hier ist«, sagte Marilyn.
»Hätte ich das tun sollen?«
»Triffst du sie noch?«, fragte sie. »Nein, sag es mir nicht. Ich brauche eine Zigarette.«
Sie stampfte durchs Wohnzimmer in die Küche und suchte ihre alten Verstecke hinter dem Brotkasten, in den Silberpokalen und dem Steinkrug ab. Ein Glas ging zu Bruch. Dann hörte er sie in seinem Arbeitszimmer medizinische Fachbücher aus dem Regal reißen, die er später wieder würde aufsammeln müssen.
Sheppard schloss die Augen, dann drehte er den Kopf zur Tür. »Hinter den Bowlingpokalen!«
Sie kehrte auf die Veranda zurück, einen schweren Aschenbecher aus Glas in der Hand, und nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. Es war, als wäre ihr Körper ein Behältnis, das sich zusehends mit Erleichterung füllte.
»Ist es so ähnlich?«, fragte sie.
»Wovon sprichst du?«
Sie zeigte auf ihre Zigarette. »Ist es wie mit dem Rauchen? Musst du es einfach tun? Denn eigentlich möchte ich gar nicht rauchen. Nein, das stimmt nicht ganz. Ich möchte mich danach nicht so schwach
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