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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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vermutlich auch sein Verlangen nach Susan. Wie er wusste, ähnelte eine derart gesteigerte Vorfreude dem Gefühl der Angst; trotzdem konnte er sich nicht beruhigen. Es war, als hätte Marilyn ihn durch ihren Zauberspruch in einen Traum mit labyrinthartigen Landschaften verbannt, in dem sämtliche Figuren wie ein Puzzle zusammengesetzt oder wie ein Rätsel entschlüsselt werden mussten, wobei das Scheitern möglicherweise seinen Ruin bedeuten würde.
    Das Gefühl entnervte ihn und ließ das Apartmenthaus, in dem Susan wohnte, trotz des strahlenden Sonnenscheins seltsam trostlos erscheinen. Es handelte sich um einen gesichtslosen, zweistöckigen Gebäudekomplex aus weiß getünchten Ziegeln an der North Alfred Street, dessen Vorgarten durch einen Zaun von der Straße abgetrennt war. Der Springbrunnen in der Hofmitte war außer Betrieb, das Wasser im Auffangbecken von Algen durchsetzt. Susan hatte ihren Namen an der Klingel neben den Namen ihrer Mitbewohnerin geschrieben – Shaw / Hayes –, und die Buchstaben sahen eher eingeritzt als aufgemalt aus, dünn und zart wie Vogelknochen. Ihre Stimme kam als unkenntliches Quaken aus der Gegensprechanlage. »Hier ist Sam«, sagte er und wartete an der stillen, menschenleeren Straße. In der Ferne konnte er die Berge von Santa Monica erkennen. Für einen Moment hatte er das Gefühl, der einzige Mensch auf der Welt zu sein.
    Als der Türöffner summte, drückte er das Tor auf, trat ein, drückte es hinter sich wieder zu und rüttelte noch einmal daran, um sicherzustellen, dass es auch wirklich geschlossen war. Seine Schritte hallten so laut durch den Innenhof, als ginge er durch einen Tunnel. Ein Motorrad donnerte vorbei, dessen Lärm von den Mauern zurückgeworfen wurde, und Sheppard zuckte zusammen, legte sich die Hände über die Ohren und drehte sich nach der Geräuschquelle um, konnte aber durch die Torgitter nichts erkennen als die leere Straße. Um den Innenhof zogen sich Laubengänge, und die Fenster der meisten Apartments waren mit Jalousien oder Vorhängen verdeckt. Er wusste nicht mehr, was er erwartet hatte, nur, dass es etwas anderes gewesen war.
    Zum einen hatte er erwartet, Susan zu Hause anzutreffen, aber es war, wie er schnell erkannte, ihre Mitbewohnerin gewesen, die er durch die Sprechanlage gehört hatte und die ihm nun die Tür öffnete. Sie trug eine Krankenschwesteruniform ohne Haube. Die beiden obersten Knöpfe ihrer Bluse standen offen. »Sie müssen der Doktor sein«, sagte sie.
    »Ja, der bin ich«, sagte er, von einer plötzlichen Paranoia ergriffen, weil Susan ihn offenbar erwähnt hatte.
    »Ich bin Janet«, sagte sie. Sie ergriff seine Hand und drückte sie kraftlos und zart, bevor sie ihren leblosen Arm an ihren Körper zurückfallen ließ. Sie bat Sheppard herein, und er folgte ihr. Beim Gehen schlugen ihre Hände gegen ihre Hüften wie zwei Klöppel aus Holz.
    »Susan ist noch nicht zurück«, erklärte sie, »der Verkehr muss wieder schlimm sein heute.« Ihre Stimme klang so tonlos, als wäre sie zu faul oder zu müde, um ihren Mund und die Lippen zu bewegen. Sie verschwand in der Küche, die zu Sheppards Rechten lag. Sie mixte sich einen Drink und bot Sheppard ebenfalls einen an, den er jedoch dankend ablehnte. Sie ließ Eiswürfel in ein hohes Glas fallen, füllte es fast bis zum Rand mit Scotch und gab ein Schlückchen Soda hinzu. »Ich habe eine Nachtschicht hinter mir«, sagte sie und hob das Glas, um ihm zuzuprosten. »Ich muss ins Bett. Es wäre viel klüger, in den Park zu fahren und zum Runterkommen ein bisschen spazieren zu gehen, aber irgendwie schaffe ich das nie.«
    Sie hatte pummelige Wangen und eine Hühnerbrust, hängende Lider und einen mürrischen Zug um den Mund. Um ein Haar könnte man sie für hübsch halten, dachte Sheppard, doch von ihrem kleinen Torso bis zu ihrem birnenförmigen Gesicht schien sich alles dahingehend verschworen zu haben, es nicht so weit kommen zu lassen. Ihre gepflegten Fingernägel waren in einem dunklen Kirschrot lackiert, so dunkel, dass sie beinahe schwarz wirkten. Als sie seinen Blick bemerkte, verschränkte sie die Arme und ließ ihre Handrücken unter den Ellenbogen verschwinden.
    Sheppard warf einen Blick auf seine Uhr. Es war erst kurz vor eins, aber er war seit drei Uhr morgens auf den Beinen. »Vielleicht nehme ich doch einen Drink«, sagte er. »Den gleichen wie Sie, wenn’s Ihnen recht ist.«
    Er lehnte sich gegen den Küchentresen, der sie trennte, während sie seinen Drink mixte, und

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