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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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den ersten Schritt machen zu müssen – sie endlich zu verlassen. Nur aus diesem Grund waren sie hier. In der Zwischenzeit half er dem Kofferträger, ihr Gepäck zu finden.
    Und plötzlich stand Jo Chapman, Chappies Ehefrau, am Terminal und riss beide Arme in die Luft. »He«, rief sie, » ihr da! « Sie trug einen engen weißen Rollkragenpullover, Reiterhosen und Stiefel; sie hatte sich das braune Haar zu einem sportlichen Pferdeschwanz zurückgebunden und wirkte dünner als früher, um die Augen sogar ein wenig verhärmt, was, dachte Sheppard, vom Rauchen kommen musste, von dem Druck, unter dem eine Chirurgenfrau stand, und von der schweren Bürde von zu viel Freizeit. Sie umarmte ihn mit der Kraft der Reiterin, einer Stärke, die direkt aus ihrer Körpermitte zu kommen schien, bevor sie ihn auf Armeslänge von sich hielt und ihn musterte. »Immer noch ein verdammt gut aussehender Dreckskerl«, sagte sie und drehte sich zu Marilyn um, »mit Betonung auf Dreckskerl .« Darüber musste Marilyn lachen. Sheppard lächelte in sich hinein und begriff, dass Jo ihn immer schon auf Abstand gehalten hatte. Er war ein Mann, und sie wurde nicht müde, ihn daran zu erinnern. In ihren Augen waren fast alle Männer alberne Nullen. Sie und Marilyn wären ohne Männer besser dran. Oder vielleicht war es auch bloß so, dass sie sich in der Viererkonstellation – Jo, Chappie, Marilyn und Sam – ständig verpflichtet fühlte zu betonen, dass ihre Loyalität in erster Linie Marilyn galt.
    »Sollen wir dich bei Dr. Miller absetzen?«, fragte sie ihn.
    »Ihr müsst in die entgegengesetzte Richtung«, sagte Sheppard.
    »Ach, das macht nichts. Was meinst du, Marilyn?«
    »Es macht nichts, solange wir vor Sonnenuntergang am Strand sind.«
    »Ich nehme ein Taxi«, sagte er, »und ihr fahrt einfach los.«
    Sheppard ließ das Gepäck ins Taxi laden und küsste Jo zum Abschied auf die Wange.
    »Bringt Chappie dich rauf?«, fragte sie.
    »Ja«, antwortete er, »am Sonntag.«
    Bevor Jo sich ans Steuer setzte, rief sie ihm über das Autodach zu: »Vergiss nicht, ihm zu sagen, er soll sich zum Teufel scheren!«
    Sie liebte es, derlei Beschwerden öffentlich zu äußern. Gern erzählte sie beim Abendessen, es sei Ewigkeiten her, seit sie mit ihrem Mann geschlafen habe. Sheppard lächelte über ihre Vertrautheit, Jo in diesem Moment nicht; sie war damit beschäftigt, sich eine Zigarette anzuzünden und den Wagen anzulassen.
    Er und Marilyn standen einander gegenüber. Sie wirkte wieder betrübt, aber er konnte sich nicht überwinden, sie nach dem Grund zu fragen.
    Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und umarmte ihn. »Ich werde an dich denken, wenn ich da oben bin«, sagte sie. Sie wartete auf eine Antwort, und als sie keine bekam, blickte sie ihm kurz und forschend in die Augen und küsste ihn leidenschaftlich. Es war ungewöhnlich für sie, sich in der Öffentlichkeit so zärtlich zu zeigen, sodass seine Überraschung seinen Widerstand noch verstärkte. Sie stieg ins Auto und kurbelte, kurz bevor sie davonfuhr, mit einem traurigen und zugleich wissenden Lächeln das Seitenfenster herunter. »Amüsier dich nicht zu gut«, sagte sie.
    Der Wagen fädelte sich in den Verkehr ein, und Sheppard schaute ihm nach, bis er ihn nicht mehr sehen konnte.
    Später, als er im Taxi saß und auf dem Weg zu Susans Apartment war, ging ihm ihr letzter Satz nicht mehr aus dem Kopf. Er wusste nicht genau, wie sie ihn gemeint hatte, ob sie ihn ganz beiläufig ausgesprochen oder seinen Seitensprung abgesegnet hatte, auch wenn er sich nicht erklären konnte, wie sie davon erfahren haben sollte. Sie hatte es mit dem ihr eigenen Mona-Lisa-Lächeln gesagt, wobei die Äußerung ebenso rätselhaft war wie ihr Gesichtsausdruck; und egal, was sie gemeint hatte und wie sehr er auch versuchte, den Satz zu verdrängen, er hatte doch den Effekt, dass die Welt ringsum plötzlich instabil wirkte. Die Palmen am Straßenrand schienen so dünn, als könne ihr Eigengewicht sie jeden Augenblick umknicken und ihren Gürteltierpanzer platzen lassen und die zerfetzten Innereien nach außen kehren; die Häuser, die sich oberhalb des Rodeo Drive in die steilen Hügel geklammert hatten, waren scheinbar in Gefahr, jeden Moment abzurutschen und auf die Straße zu krachen. Sheppard versuchte, seine Wahrnehmung zu ignorieren und seine übergroße Nervosität der anstrengenden Reise und dem Zeitunterschied zuzuschreiben – eine Folge der zu schnellen Fortbewegung in zu großer Höhe. Schuld war

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