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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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lassen?«
    »Wenn du mir nicht sagen kannst, was los ist – ja.«
    Sie setzte sich auf und drehte sich zu ihm um. Die Wimperntusche, die ihr in langen Streifen über die Wangen lief, verlieh ihr das Aussehen einer Wilden. » Verstehst du denn nicht?«, rief sie. »Es ist eine Hochzeit. Und ich habe nichts anzuziehen!«
    Der Concierge überreichte ihm eine Liste aller Geschäfte, die auch am späten Abend noch geöffnet hatten. Ransohoff’s, sagte er, sei das nächstgelegene. Sheppard schäumte innerlich vor Wut, er war erschüttert, gab sich verschlossen. Nie zuvor hatte er sie so gesehen, erst jetzt, da er hergekommen war. Sie wirkte bedürftig, aufgebracht und unbeherrscht. Zeigte sie ihm endlich ihr wahres Gesicht? Plötzlich verspürte er den dringenden Wunsch, nach Cleveland zurückzukehren, sehnsüchtig dachte er an den See, an seine Arbeit, an zu Hause. Wenn er jetzt ginge, würde ihm nichts Böses geschehen. Er würde ungeschoren davonkommen.
    Aber Susan hakte sich bei ihm unter, als sie den Laden betraten, und legte die freie Hand an seinen Arm. »Du darfst mir ruhig böse sein«, sagte sie, »ich weiß, dass ich mich albern aufführe.« Als er seufzte, flüsterte sie ihm ins Ohr: »Sag es!«
    »Du führst dich albern auf.«
    Sie stellte sich ihm in den Weg und faltete ihre Hände in seinem Nacken. »Ich möchte doch nur, dass du dich um mich kümmerst«, sagte sie.
    »Tatsächlich?«
    »Möchtest du nicht?«
    »Doch.«
    »Siehst du«, sagte sie, »dann sind wir uns einig« – was wundersamerweise zu stimmen schien.
    Eine Verkäuferin geleitete sie zu den Umkleiden, und während die Modelle heraustraten und vor dem Sofa, auf dem er und Susan saßen, auf und ab stolzierten, der Teppichboden die Schritte dämpfte und es in dem großen, grau gestrichenen Raum so still war, dass man das Rascheln der Röcke hören konnte, wurde das helle Licht der zwei Kronleuchter von den ringsum aufgehängten Spiegeln so zurückgeworfen, dass es unmöglich war, die Qualität der Stoffe zu übersehen. Als er Susans Aufregung bei jedem neuen Kleid bemerkte, fragte er sich in einem Anfall wissenschaftlicher Neugier, warum er etwas Ähnliches mit Marilyn nie unternommen hatte. Warum träumte er davon, zahllose andere Frauen zu umwerben, Hand in Hand mit ihnen durch fremde Städte zu schlendern? Woher diese plötzliche Großzügigkeit? Das köstliche Abendessen danach. Das teure Hotel. Seine ärztliche Kaufkraft wurde bis aufs Äußerste strapaziert, aber sein angeborener Geiz meldete sich kein einziges Mal zu Wort, als die Verkäuferin die Preise nannte; an Marilyn hingegen sparte er, wo er nur konnte.
    Susans Favorit war ein schwarzes Cocktailkleid mit U-Boot-Ausschnitt, das ihre Schlüsselbeine und die zierlichen Schultern zur Geltung brachte. Als sie es anprobierte und durch den Raum schritt, endlos vervielfacht durch die Spiegel, die einander gegenüberhingen und einen Kondensstreifeneffekt erzielten, war er außer sich vor Verlangen. Irgendetwas an ihr, an ihrer Schönheit, löschte die eben erlittenen Unannehmlichkeiten sofort wieder aus. Sie erschien ihm so neugeboren wie eine Venus, die aus dem Meer steigt.
    Am selben Abend rief er Marilyn an.
    »Mein Gott«, sagte sie, »es gibt keinen schöneren Ort auf Erden. Wenn man hier herumläuft, kommt es einem wie eine Dummheit vor, dass wir in Cleveland leben.«
    »Als wir hier gewohnt haben, warst du anderer Meinung«, sagte er.
    »Ja, das stimmt«, sagte Marilyn.
    »Du wolltest die ganze Zeit nach Hause.«
    »Ich war jung. Ich war dumm. Was nicht heißt, dass wir an meiner Dummheit festhalten müssen. Wir sind immer noch dumm, Sam. Wir könnten hier draußen glücklich sein. Stell dir vor, Chip würde am Meer aufwachsen!«
    »Du würdest deine Meinung wieder ändern. Es erscheint dir so wunderbar, weil es nur vorübergehend ist.«
    Für einen Augenblick schwieg sie. »Eigentlich, mein Süßer, hatte Chappie dir damals alle Türen geöffnet. Du wolltest zurück nach Hause.«
    »Können wir bitte mit dem Unsinn aufhören?«, fragte Sheppard.
    Das Rauschen in der Leitung klang wie der Ozean. Er konnte fühlen, wie ihre Laune abstürzte.
    »Warst du sehr beschäftigt?«, fragte sie.
    »Ja.«
    »War es gut?«, fragte sie. »Die Reise gemacht zu haben?«
    »Ja.«
    »Du solltest so was öfter machen.«
    »Das werde ich.«
    »Dann sehen wir uns also am Sonntag«, sagte sie.
    Als er auflegte, glaubte er, dass er sich endlich würde entscheiden können.
     
    Er behielt den Gedanken im

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