Mister Peanut
beschimpft, hätte der sein schäbiges Tun vergessen und wäre möglicherweise immer noch nicht dankbar für Marilyn, ein Fremder seiner selbst. Meine spontane Reaktion wird niemals sein, die Interessen anderer über die meinen zu stellen, dachte er.
»Tja«, sagte Don »ich bin mir sicher, dass du getan hast, was in deiner Macht stand.«
»Ja«, sagte er, »das habe ich.«
Da kam Marilyn heran. »Das Krankenhaus hat eben angerufen«, sagte sie. »Ein Junge hat sich das Bein gebrochen. Sie wollen, dass du rüberfährst und es dir ansiehst.«
Im Röntgenraum untersuchte Sheppard die Verletzung des Jungen, einen glatten Oberschenkelbruch, den er sich bei einer freundlichen Rangelei mit seinem Bruder zugezogen hatte und der mithilfe eines Gipses und etwas Muskelkraft bald gerichtet wäre und letztlich spurlos verheilen würde. Seiner Einschätzung nach würde der Junge in acht Wochen wieder gesund sein, und während er an Hunters Bett saß und die Assistenten den Gips anlegten, sagte er, was er in seiner Funktion als Arzt schon tausendmal gesagt hatte: »Dann bist du so gut wie neu.« Eine von zahlreichen, reflexhaften Versicherungen, deren gedankenloser Gebrauch eine unauslöschliche Hoffnung implizierte. Gab es Fortschritt? Konnte man zu einem besseren Menschen werden? Seine Frau hatte ihm vorgeworfen, er denke geradlinig, und damit weit danebengelegen. Seit Jahren stellte er sich das Leben als mühsamen Kreislauf vor, und diesen Gedanken hatte er selbstgerechterweise als Ausrede benutzt, als rationale Erklärung für seine Eskapaden. Es gab keine Verbesserung, sondern nur eine Galgenfrist, und niemand konnte sich wirklich ändern, und deswegen musste er jeden Genuss mitnehmen, der sich ihm anbot. Glaubte er das immer noch? Und falls ja, bedeutete das, dass ihm weitere Fehltritte unterlaufen würden? Würde die aktuelle Glückseligkeit von der unweigerlich folgenden Trauerphase ausgelöscht? Oder wuchs man irgendwann über gewisse Erscheinungsformen des Bösen und der Sünde hinaus? War es möglich, den Zustand, in dem er und Marilyn sich momentan befanden, irgendwie zu erhalten? Nur damit er seinem ungeborenen Sohn – oder, nach Marilyns Überzeugung, seiner Tochter – irgendwann würde sagen können: Ich habe mich geändert. Wir haben uns geändert. Wir wurden glücklich, und von dem Augenblick an, mein Kind, war alles anders. Ach, wäre es nur möglich. Bitte, dachte er, lass es mich eines Tages sagen und echte Hoffnung weitergeben anstatt immer nur den einen, hoffnungslosen Rat, einfach nur zu warten und durchzuhalten.
Ich will endlich ankommen , dachte er, als er vom Krankenhausparkplatz fuhr. Ich möchte fertig sein. Ich möchte mit dem Mann, der ich war, abschließen.
Als er nach Hause kam, waren Nancy und Marilyn längst in Hektik ausgebrochen, und im Hintergrund hörte er die Kinder schreien. Ein erschöpfter Don bat um Ruhe: »Ich versuche, das Spiel zu hören!«
Marilyn kam aus der Küche. »Wir werden viel zu spät mit dem Abendessen fertig.«
Sheppard warf einen Blick auf die Uhr: Viertel vor neun. »Was kann ich tun?«, fragte er.
Verblüfft legte Nancy sich eine Hand an die Brust. »Hat er soeben seine Hilfe angeboten?«
»Ich glaube, ja«, sagte Marilyn.
»Sam, hast du Fieber?« Nancy rieb sich die Hände an der Schürze ab und befühlte seine Stirn. »Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Mir geht es gut.«
»Na schön«, sagte sie und nickte, »du kannst meinem überarbeiteten Ehemann die Kinder abnehmen, bevor er sie umbringt.«
»Ja, das tue ich.«
Er nutzte die Gelegenheit, um Zeit mit seinem Sohn zu verbringen, scheuchte die Kinder in den Keller und knipste das Licht im hinteren Teil an, wo er einen Sandsack aufgehängt hatte. »Wie wär’s, wenn wir ein paar Haken üben?«, fragte er. Todd, das älteste Kind der Aherns, war von dem Vorschlag begeistert, aber Jennifer und Chip schienen ein bisschen Angst zu haben.
»Möchtest du, mein Junge?«
»Ich weiß nicht, ob ich das mag«, sagte er und verdrehte schüchtern die Arme ineinander und reckte den ganzen Knoten in Richtung des Sandsacks.
»Nun, dann sollten wir es einmal probieren.«
Sheppard hatte das Gefühl, zunächst ein paar Regeln aufstellen zu müssen: niemals einander zu boxen und niemals fremde Kinder zu boxen, es sei denn, der andere hatte angefangen. Danach führte er ein paar Schläge mit der Führhand und rechte Haken vor und ein paar solide Körperschläge, wobei er großen Wert auf eine korrekte Haltung legte. Er
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