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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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wie sie Wasser in den Teekessel laufen ließ.
    »Nichts«, sagte sie müde.
    Seit Wochen war es, als existierte er nicht, und nun, da er wieder zur Kenntnis genommen wurde, machte er alles falsch.
    Der Teekessel pfiff.
    Er schlug die Laken zurück und ging in die Küche, wo Alice am Tisch saß, die Hände an einen Becher mit grünem Tee gelegt, und auf ihn wartete.
    »Wir müssen reden«, sagte sie.
    Das nahm ihm den Wind aus den Segeln. Er stützte beide Handflächen auf die Tischplatte wie ein alter Mann und ließ sich langsam auf den Stuhl sinken.
    Alice strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie räusperte sich. »Ich muss dir etwas sagen«, sagte sie und wischte sich mit der Handfläche eine Träne ab. »Ich fühle mich seit Langem schon zerrissen, und ich habe mich zurückgehalten, um uns zu schützen. Aber ich kann so nicht mehr weitermachen. Ich kann es nicht länger für mich behalten.«
    Davids Herz hämmerte.
    »Wir stecken in einer Sackgasse«, sagte sie.
    Weil er so unglaublich erleichtert war, musste er sie bitten, den Satz zu wiederholen.
    »Eine Sackgasse«, sagte sie. »Aber das trifft es nicht ganz. Es ist viel schlimmer. Krise wäre vielleicht der passendere Ausdruck, aber eine Krise würde voraussetzen, dass man die Wahl hat, sich zu befreien. Ich komme aber nicht darauf, wie diese Wahl aussehen könnte.«
    Sie nippte an ihrem Tee und kehrte ihre Aufmerksamkeit nach innen. Sie sah fitter denn je aus. Ihre Wangen hatten eine gesunde Farbe, ihre dicken Arme und Schultern waren leicht gebräunt.
    »Man könnte auch sagen, wir stecken fest, nur dass dazu vielleicht kein Gegenteil existiert. Ich weiß nicht, ob wir besser dran sind, wenn wir nicht feststecken. Gelangweilt ist vielleicht näher dran, und dagegen könnten wir etwas tun.«
    Sie streckte die Hand aus, um seine Wange zu berühren.
    »Spürst du das auch?«, fragte sie. »Merkst du, wie es um uns steht? Es ist wie in der Vorhölle, nur dass wir noch nicht gestorben sind. Es ist, als wäre alles das genaue Gegenteil von dem, was es sein sollte. Jetzt, wo wir uns besser kennen als je zuvor, kennen wir uns kaum noch. Wir stehen einander näher als allen anderen und entfernen uns trotzdem immer weiter voneinander. Ich kann es nicht beschreiben. Aber wenn es noch länger so bleibt, möchte ich lieber tot sein.«
    »Sag so etwas nicht«, sagte David.
    »Geht es denn nur mir so?«
    »Nein.«
    »Die Frage, die ich mir stelle«, sagte sie, »ist, was man dagegen unternehmen kann.«
    »Ich habe mich das auch schon gefragt.«
    »Hast du irgendwelche Vorschläge?«
    Er dachte an Georgine. »Du zuerst.«
    »Könntest du dir vorstellen, unser Leben von jetzt an als Experiment zu betrachten?«, fragte sie. »Unsere Ehe könnte wie ein Flug zum Mond sein, wie eine Raumfahrtmission! Bis an die Ränder des Universums! Ich weiß, das klingt sehr vage, aber so etwas in der Art schwebt mir vor. Ich frage mich zum Beispiel, warum wir ausgerechnet hier leben und nicht irgendwo anders. Warum machen wir es uns nicht zur Aufgabe, in jedem Bundesstaat gewohnt zu haben? Den Hunger auf dieser Welt zu besiegen? In Südfrankreich freilaufende Hühner zu züchten? Wie wäre es, wenn wir uns zu Meeresbiologen ausbilden lassen und das Great Barrier Reef erforschen? Ich weiß selbst nicht, was es sein könnte, weil ich bisher immerzu mit mir beschäftigt gewesen bin. Ich bin so mit mir beschäftigt gewesen, dass ich dumm bin. Ich habe nichts anderes mehr mitbekommen. Ich will mich selbst verlernen. Wie wäre es, wenn wir zu Fuß die Appalachen überqueren?«
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Doch«, sagte sie, »ich finde bloß nicht das richtige Beispiel. Wovor haben wir Angst, David? Was hält uns zurück?«
    »Wovon zurück?«
    »Von den Gefühlen, die wir nicht haben. Von all den Dingen, die wir unterlassen.«
    »Was gibt es denn zu fühlen und zu tun?«
    »Mehr.«
    »Ich habe das Gefühl, jede Menge zu fühlen. Ich habe eher das Gefühl, nicht noch mehr fühlen zu wollen.«
    Sie nickte. »Ich verstehe, was du damit sagen willst, aber du beziehst dich auf die vergangenen Monate. Du hast mich immer noch nicht verstanden.«
    »Wovon redest du?«
    »Wie wäre es, wenn wir aus unserer Ehe ein Experiment zur Steigerung des beiderseitigen Glücksgefühls machen?«, fragte sie. »Wie wäre es, wenn wir uns versprechen, ich weiß auch nicht, jeden Tag zu vögeln beispielsweise – wie bei einem durchgeknallten Vorhaben, mit dem man

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