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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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ihn sah. Wieder ein anderer Teil war so beschämt, dass er mit dem Gedanken spielte, sich für den Rest der Woche krankzumelden oder einfach abzuhauen, so wie Alice es vorgeschlagen hatte, an einen abgelegenen Ort ohne Handyempfang und Internet, in den Kongo vielleicht.
    Alice’ Nachricht lehnte an der Kaffeemaschine.
     
    David,
    ich werde für eine Weile verreisen. Ich wollte dir gestern Abend davon erzählen, aber nach unserem Gespräch hatte ich das Gefühl, dass du mich nicht verstehen kannst und möglicherweise versuchen würdest, mich aufzuhalten. Vielleicht komme ich nie zurück, und dieser Gedanke macht mir Angst. Falls es so weit kommt, wirst du die Gründe erfahren, das verspreche ich.
    Bitte denk über meinen Vorschlag nach – oder lass es. Egal, was du tust, ich möchte, dass du lebst, als wäre ich für immer verschwunden, als wäre ich gestorben und du in der Lage, ein neues Leben anzufangen. Fang bitte ein Leben ohne mich an.
    Denk daran, dass all das zu unserem Experiment gehört.
    Bitte versuch nicht, mich zu finden. Niemand weiß, wo ich bin. Als ich vor ein paar Monaten aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich gesagt, ich würde mein Leben ändern. Das hier ist der erste Schritt.
    Und vergiss nicht: Zweck ohne Methode.
     
    Ich liebe dich
    Alice
     
    Als er ihre Nachricht ein zweites Mal las, wunderte David sich über seine eigene Gefühlskälte. Vielleicht rührte sie daher, dass er Alice kein Wort glaubte? Vielleicht komme ich nie zurück, und dieser Gedanke macht mir Angst. Ich bitte dich, dachte er. Sicher handelte es sich um einen weiteren Fehlstart, und bestimmt käme Alice bald zurück – möglicherweise schon am Abend. Er stellte sich vor, wie sie in der Tür stand – ein kurzer Blick in den Schrank verriet ihm, dass sie nicht einmal einen Koffer mitgenommen hatte –, mit hängendem Kopf und beschämt, angesichts ihres jüngsten Fehlschlags vielleicht sogar wütend auf ihn. »Sag es nicht«, würde sie sagen, und er würde schweigen, sie würde ihm ins Schlafzimmer folgen, und dann würde die lange Zeit des Wartens beginnen, bis sie vergessen hatten, was passiert war – oder eben nicht passiert war.
    Er beschloss, nicht weiter über die Angelegenheit nachzudenken. Er kam zu der Einsicht, es sei das Beste, die Sache mit Georgine in der Zwischenzeit so schnell wie möglich zu beenden, deswegen übte er unter der Dusche, was er zu ihr sagen würde, und dann nahm er sich besonders viel Zeit, sich zu rasieren, zu frisieren und drei verschiedene Hemden anzuprobieren, bevor er zur Arbeit eilte. Auf dem Weg zur U-Bahn versuchte er, Alice auf dem Handy anzurufen. Eine Stimme vom Tonband erklärte ihm, die Nummer sei nicht vergeben, eine Nachricht, die ihn verärgerte. Es war genauso wie bei ihren früheren Diätversuchen. Ende der Woche, wenn Alice zurückgekommen war, würde er beim Mobilfunkanbieter anrufen, die Wiederanschlussgebühr überweisen und unter Umständen sogar ein neues Handy kaufen müssen. Auf dem Bahnsteig stellte er sich extra dicht an die gelbe Linie, als die U-Bahn angerauscht kam. In den Fenstern der Waggons konnte er deutlich seine gerunzelte Stirn erkennen, bevor der Zug langsamer wurde und schließlich anhielt. Es würde genauso laufen wie mit ihren Lehraufträgen, dachte er. Trinity mitten im Schuljahr zu verlassen hatte es ihr fast unmöglich gemacht, eine neue Stelle zu finden, und nur aus diesem Grund war sie dann in der Hawthorne-Cedar-Knolls-Schule für Schwererziehbare gelandet.
    Nein, wenn Alice sich einen Urlaub von mir gönnt, dachte David, als er seine Hand am Oberschenkel von Georgine, die neben seinem Schreibtisch stand, hinaufgleiten ließ, dann gönne ich mir eben einen Urlaub von ihr. Seine Bürotür stand offen, und er und Georgine taten so, als würden sie arbeiten, während er seine Finger in ihrem Slip verschwinden ließ. Sie waren beide ganz still geworden, Georgine strahlte ihre Hitze ab und beugte sich mit halb geschlossenen Lidern vor.
    »Wann«, flüsterte sie, »können wir hier weg?« Später, als sie auf dem rückwärtigen Balkon von Georgines Apartment im Greenwich Village Orangensaft direkt aus dem Karton tranken, fühlte David sich wie ein Verurteilter, dem die Flucht über die Grenze gelungen war. Wozu noch einen Gedanken an Alice verschwenden? Warum nicht ihr Angebot annehmen und so leben, als sei sie für immer verschwunden? Er konnte Georgine im Badezimmer summen hören, irgendwo im Innenhof klimperte ein Klavier, und sie traf

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