Mister Peanut
dann kann auch ich durchstarten.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte er.
»Sag das nicht. Dafür bist du zu intelligent.«
»Du brauchst mich nicht zu belehren.«
»Ich wollte damit sagen, ich kenne keinen intelligenteren Mann als dich.«
»Du tust so, als könnten wir uns beide einfach so ändern. Du tust so, als bräuchte man nur einen Schalter umzulegen« – er schnipste mit den Fingern –, »und fertig. So, als könnte man sein altes Leben einfach abschütteln. Aber so geht das nicht. Nicht mit uns.«
»Doch!«
»Du hast es selbst nicht geschafft.«
»Ich weiß«, sagte Alice, »aber das lag nur an meiner Angst. Und jetzt habe ich keine Angst mehr.«
»Warum nicht?«
»Weil«, sagte sie, »nach uns beiden nichts anderes mehr kommt.«
Damit hatte sie recht. Da sie keine Kinder hatten, ging es in ihrer Ehe um sie, um sie beide ganz allein. Noch nie war ihm dieser Gedanke gekommen, aber nun, da sie ihn ausgesprochen hatte, begriff er, dass er sich die ganze Zeit vor diesem Eingeständnis gefürchtet hatte.
»Ich bin nicht mehr traurig deswegen«, erklärte sie. »Ich bin nicht mal mehr sauer. Ehrlich gesagt, glaube ich mittlerweile, dass es uns zu etwas Besonderem macht. Einzigartig. Ich sehe die Welt durch dich allein. Du bist meine Welt. Ich weiß, wie romantisch das klingt, aber so sehr liebe ich dich. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ohne dich wäre.«
»Aber du warst diejenige, die weg war!«
»Ich weiß«, sagte sie nickend. »Und nur deswegen weiß ich, dass es so ist. Ich schlage dir also ein Experiment vor, es heißt ›wir‹. Wir werden das Experiment sein, aber nicht im klassischen Sinne. Wir werden ein Zweck ohne jede Methode sein. Die Methode wird improvisiert.«
»Was soll das nun wieder heißen?«
»Dass wir einfach voranpreschen.«
»In welche Richtung?«
»In eine unbekannte«, erklärte sie. »In eine neue. Gleich morgen. Wir ziehen einfach los.«
»Wohin?«
»Das kannst du dir aussuchen.«
»Nein, das überlasse ich dir.«
»Also gut. Ich für meinen Teil habe immer schon das Great Barrier Reef sehen wollen.«
»Oh«, sagte David. »Australien.«
»Down under. «
»Warum nicht gleich ins Schlaraffenland?«
»Bitte«, sagte sie. »Das ist unsere Chance.«
Er stand auf, lehnte sich an den Herd und schob die Fäuste unter die verschränkten Arme. Es war albern, dachte er. Es war unrealistisch. Die Realität sah so aus, dass er heute Abend mit einer anderen Frau geschlafen hatte und noch einmal mit ihr schlafen wollte. Oh, wie es gewesen war, als die kleine, zierliche Georgine auf ihm herumgewirbelt war! Was Alice wohl sagen würde, wenn er ihr davon erzählte? Wie aufregend sie das Experiment wohl noch finden würde, wenn er ihr gestand, dass er es längst begonnen hatte? Bewies das nicht, dass es keine Experimente geben konnte?
»Uns steht alles offen«, sagte Alice. »Wir lieben uns.«
»Alles?«
»Alles, was wir wollen.«
»Tja, im Moment will ich nur schlafen.« Er fühlte sich von ihrem gemeinsamen Leben so entfremdet und ermüdet, dass er kaum die Kraft aufbrachte, den Flur zu durchqueren.
»Ich weiß, dass du mir nicht glaubst«, sagte sie. »Deswegen werde ich es dir beweisen.«
»Ja«, sagte David, »tu das.«
Am nächsten Morgen wachte er diagonal ausgestreckt in der Mitte des Betts auf, und einen glücklichen Moment lang bildete er sich ein, die Unterhaltung mit seiner Frau nur geträumt zu haben. Er setzte sich auf, und im selben Augenblick fiel ihm ein, wie Georgine auf ihm gehockt hatte, und er fragte sich, ob auch das nur geträumt war. War es nicht. Das Sonnenlicht durchflutete das Schlafzimmer, war aber nicht hell genug, um seine Gewissensbisse auszublenden. Draußen war es windig, strahlend und klar, der Tag viel zu schön, um sich schrecklich zu fühlen.
Er rief den Namen seiner Frau, bekam als Antwort aber nur das Bibbern des Kühlschranks zu hören. Er sah auf die Uhr. Es war schon fast halb neun. Er hatte den Geruch von bitterem Kaffee in der Nase, von verbrannten Resten unten in der Kanne, deswegen ging er in die Küche, um frischen aufzusetzen. Er dachte an Georgine und schämte sich sehr darüber, und dann fragte er sich, wie er das, was vorgefallen war, handhaben sollte. Es wäre vermutlich das Beste, die Sache schnell wieder zu beenden, beim Mittagessen vielleicht, und dann zu vergessen. Ein anderer Teil von ihm überlegte jedoch bereits, was er heute ins Büro anziehen sollte und wie sie reagieren würde, wenn sie
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