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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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Kisten stand D EKO , und in jeder war mindestens ein Objekt auf rätselhafte Weise zu Bruch gegangen, egal, wie sorgfältig es verpackt war; die Gegenstände schienen selbst dann zerbrechen zu können, wenn sie nicht berührt wurden. Er kippte ihre persönlichen Unterlagen vor den Aktenschränken aus: Bewerbungsschreiben, berufliche Korrespondenz und alte Hausarbeiten, die sie am College verfasst hatte und die er nun interessiert las; Seite um Seite offenbarte sich ihm die Funktionsweise ihres Verstandes, ohne dass er darüber einen Hinweis auf ihren jetzigen Aufenthaltsort erhalten hätte. Er blätterte in Notizblöcken, die im Küchenschrank zwischen den Telefonbüchern steckten, versuchte, die Notizen zu entziffern, namenlose, eingekreiste Telefonnummern auf veralteten Einkaufszetteln, Kritzeleien und Erledigungslisten. Er studierte ihre Stundenpläne, ohne etwas Verdächtiges entdecken zu können, zog Bücher aus dem Regal und suchte die Ränder von Romanseiten nach Notizen ab, die ihm einen Hinweis hätten liefern können. Er stieß aber lediglich auf Bemerkungen, die zu kryptisch waren oder zu allgemein, um als Spur infrage zu kommen – Ja! , hatte sie geschrieben, oder: Wie wahr! Immerhin kam er nun dazu, die unterstrichenen Passagen zu lesen. Wenn ein Mensch auf die Welt kommt, trägt er einen winzigen Funken des Guten in sich. Dieser Funke ist Gott, ist die Seele; alles Übrige ist hässlich und böse, eine leere Hülle. Ja!, dachte David. Wie wahr!
    Als er im hintersten Winkel der Sackgasse und am Ende seines Lateins angekommen war, ging er dazu über, das Apartment auf den Kopf zu stellen. Er zog die Schubladen aus den Nachttischen, machte Kleinholz aus den Möbeln und wühlte anschließend in den Schrankinhalten, die er auf einen großen Haufen gekippt hatte: Drachenschwänze aus Kondomverpackungen, leere Gleitmitteltuben und Baskenmützen und Garnrollen und Nähnadeln (Nähnadeln?) und schwarz gealterte oder grün angelaufene Pennies. In der hintersten Ecke der oberen Schublade ihrer Schlafzimmerkommode entdeckte er einen Vorrat von Haarspülungen und Körperlotionen, die Alice aus Hotels hatte mitgehen lassen, außerdem eine Sammlung von Kämmen, eine von einem Netz aus Alice-Haaren überzogene Bürste, ausgetrocknete Stifte, sogar Liebesbriefe, die sie, er war ganz gerührt, in einem Briefumschlag aufbewahrte, den er selbst irgendwann an ALICE adressiert hatte. Er zog alle Schubladen der Kommode auf, schaute darunter und dahinter nach, bevor er sie aufstapelte, um den Schrank, der nun leichter und von ihm allein zu bewegen war, von der Wand abzuziehen. Er hörte etwas zu Boden fallen, eine kleine Schmuckdose, die Alice vor Jahren verloren zu haben glaubte und in der ein Paar Diamantohrringe lag, die er ihr geschenkt (und nachgekauft) hatte und die in der Schwebe zwischen Möbelstück und Wand gefangen gewesen waren. »Ich hab sie gefunden, Alice!«, sagte er laut. Er schaute unter dem Bett nach und zog die Gegenstände heraus, die sie beide dort irgendwann verstaut hatten und die inzwischen unter einer dicken, zu einer Mondlandschaft erstarrten Staubschicht lagen: ein Spiegel und ein Poster von Alfred Hitchcocks Fenster zum Hof . Schließlich gab es nichts mehr zu filzen als das Bett selbst. Er riss Decke und Laken herunter und stand vor den nackten Zopfbrotrippen der Matratze. Mit ungeahnter Kraft und einem Fleischermesser aus der Küche fügte er der Matratzenmitte eine klaffende Wunde zu und steckte seinen Arm bis zur Schulter hinein wie ein Bauer, der einem großen Tier bei der Entbindung behilflich ist. Er tastete in den Eingeweiden aus Schaumstoff und Metallfedern nach einem Gegenstand, der sich einfach dort befinden musste , es dann aber doch nicht tat. Blieb nur noch der Bettrahmen. Er holte eine Säge aus dem Werkzeugkasten und nahm sich vor, das Ding notfalls Stück für Stück auseinanderzusägen; aber als er die ausgeweidete Matratze vom Bett und durch den verwüsteten Raum gezerrt hatte, blieb er wie angewurzelt stehen. Dort, genau in der Mitte des Bettes und wie in einem riesigen Bilderrahmen, lag, wonach er gesucht hatte, ohne es zu wissen:
    Ihr Tagebuch.
    Es war in einen schwarzen Umschlag eingebunden, hatte unlinierte Seiten und einen farbigen Nachdruck von Botticellis schaumgeborener Venus auf der Vorderseite. David schlug es auf und suchte nach einem Datum. Den ersten und einzigen Eintrag hatte sie wenige Tage nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus verfasst:
     
    E NDE
     
    Oh,

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