Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
Vom Netzwerk:
war es an Möbius zu warten. »Das Buch«, sagte er schließlich.
    »Oh«, sagte David, »jetzt verstehe ich.« Seine Gedanken fingen zu wandern an, und traurig schüttelte er den Kopf. »Manchmal glaube ich fast, ich will gar nicht wissen, wie es ausgeht.«
    »Meistens ist es auch besser so«, sagte Möbius.
    David sah ihn an. Nie zuvor hatte er so schwarze Augen gesehen, einen so breiten Mund. Dieses Treffen würde auch zu keiner Lösung führen. Dieses Treffen war vielleicht sogar ein Fehler. Aber es war etwas Neues, und etwas Neues war gut.
    »Aus reiner Neugier gefragt«, sagte er, »wie viel …«
    Mit dem Zeigefinger malte Möbius eine Zahl in die Luft: eine Acht mit fünf Nullen. Er zuckte mit den Achseln. »Mehr oder weniger.«
    »Ich verstehe «, sagte David. »Und wie …«
    »Nach und nach. Für meine anderen Klienten hat es sich als praktikabel erwiesen, jeden Tag ein wenig beiseitezulegen, anstatt große Beträge abzuheben, die später in den Kontoauszügen auftauchen. Keine belastenden Dokumente. Ich empfehle Ihnen, die Ausgabe als Altersrücklage zu verbuchen. Für die Rentenversicherung .«
    Für einen Augenblick fing David heftig zu träumen an.
    »Noch einmal gefragt, reine Neugierde«, sagte er, »wie …?«
    »Oh, das weiß ich vorab nicht«, sagte Möbius und lächelte bescheiden wie ein Schauspieler, der über vergangene Glanzleistungen spricht. »Ich weiß nie, worauf es hinausläuft. Zunächst muss ich die Zielperson kennenlernen, ihren Tagesablauf, ihre Gewohnheiten. Dazu gehören Geschick und eine gewisse Disziplin. Alles hängt vom richtigen Augenblick ab. Ich persönlich bevorzuge höhere Gewalt im richtigen Augenblick.«
    Die beiden Männer starrten einander an.
    »Wahrscheinlich habe ich kein Interesse«, sagte David.
    »Ich verstehe. Ist ja schließlich keine schöne Aufgabe.«
    »Was?«
    »Es zu beenden«, sagte Möbius.
    David schaute zu, wie Möbius die restlichen Nudeln vom Teller wischte. Als er fertig war, kippte er den Inhalt seines Weinglases mit einem Schluck hinunter, tupfte sich die Mundwinkel mit der Serviette ab, knüllte sie zusammen und warf sie auf den Teller, wo sie in die Saucenreste einsank. Dann schob er David die Rechnung hin.
    »Vielen Dank für die Unterhaltung«, sagte er. »Ich werde mich bei Ihnen melden.« Er hopste von der Bank, schnappte seinen Aktenkoffer und drehte sich zum Gehen um.
    »Warten Sie«, sagte David. »Haben wir uns auf irgendwas geeinigt?«
    »Nein«, sagte Möbius, »wir haben uns auf rein gar nichts geeinigt.«
     
    Später, als er benommen nach Hause lief, fühlte David sich wie das Opfer eines Raubüberfalls – als wäre er unerwartet in eine brutale Situation geraten, als hätte ein schreckliches Erlebnis ihn durchfahren. Ihm liefen eisige Schauer über den Rücken, eine Folge, befand er, nicht nur der Begegnung mit einem so bösen Menschen, sondern auch seines eigenen Glaubens an das Böse. Als er das Gespräch noch einmal rekapitulierte, wurde er plötzlich von Scham überwältigt, er schämte sich für alles, was er Möbius erzählt, und für alles, was er ihm verschwiegen hatte.
    Zunächst einmal hatte er seine Affäre unterschlagen. Nicht, weil die Affäre an sich von Bedeutung war – was wiederum nicht heißen sollte, dass sie es nicht war –, sondern weil er es angesichts der Schwierigkeiten, mit denen Alice rang, vorgezogen hatte, sich in die Arme einer anderen zu flüchten. Er tat gerade so, als hätte er mehr Liebe verdient, als er selbst Alice zu geben oder nicht zu geben in der Lage war. Seine Anspruchshaltung erschien ihm noch verdammenswerter als seine Untreue.
    Er hatte unterschlagen, dass er sich zumindest heimlich wünschte, sie bliebe dick, denn ein Teil von ihm – ein kleiner, finsterer, hässlicher Teil – wusste, dass ihr fetter Körper sie dankbar ihm gegenüber machte, egal, wie viel oder wie wenig er sich zu geben herabließ. Und als er das begriffen hatte, musste er wiederum fürchten, sie könnte eines Tages ihre eigene Schönheit erkennen. Solange sie das nicht tat, würde es auch kein anderer tun. Und solange niemand inklusive sie selbst ihre Schönheit erkannte, wäre sie nicht selbstbewusst genug, ihn zu verlassen. Er würde immer der Mittelpunkt ihrer Welt bleiben – in ihren Augen der einzige Mensch, der sie jemals lieben würde.
    Zuletzt und traurigerweise hatte er unterschlagen, dass er in seinen dunkelsten Momenten tatsächlich glaubte, für Alice’ Gewichtszunahme verantwortlich zu sein.

Weitere Kostenlose Bücher