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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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darüber, ihnen behilflich sein zu können, lächelte und nickte ebenfalls. »Er hat recht«, sagte sie, »ich habe kaum noch was gegessen.« Später stattete eine Ernährungsberaterin Alice einen längeren Besuch ab. Am Mittag fuhr David zum Apartment, um ein paar saubere Klamotten für seine Frau zu packen und alle Räume gründlich zu putzen. Als er ins Krankenhaus zurückkam, war Alice erneut von Ärzten und Krankenschwestern umringt. So kam es, dass sie erst am späten Nachmittag entlassen wurde; sie und David saßen auf der Rückbank eines Taxis, endlich allein, wobei Alice so dicht an ihr Seitenfenster gerückt war und David so dicht an seines, dass zwischen ihnen selbst ein dicker Mensch noch Platz gefunden hätte. David knüpfte an das Gespräch vom Vortag an, indem er fragte: »Wie?«
    »Wie was?«, fragte Alice.
    »Wie willst du dein Leben ändern?«
    »Das ist allein meine Sache.«
    »Oh«, sagte David. An der nächsten Straßenecke beobachtete er einen Mann, der in die Lexington einbog. Als ihn eine Windbö traf, wirbelte seine Mütze hoch in die Luft. Der Mann schaute seiner Mütze so traurig nach wie ein Kind einem entflogenen Ballon. »Wirst du mich verlassen?«, fragte David nach einer Weile.
    Angewidert schloss sie die Augen. »Es geht nicht immer um dich, David.«
    Zu Hause ging es immer so weiter. Obwohl der Boden gewischt, das Bett frisch bezogen und die Klobrille so sauber war wie neues Porzellan, hatte Alice an allem etwas auszusetzen; kopfschüttelnd fuhr sie mit dem Finger über die Fußleisten. »Diese Wohnung ist total verdreckt«, sagte sie und zeigte David ihren geschwärzten Finger. »Ich kann so nicht leben.« Als er sie davon abhalten wollte, die Fugen im Badezimmer mit Bleiche abzuschrubben, sagte sie: »Kann ich mich bitte hier einrichten, ohne dass du mir ständig nachläufst?« Also zog er sich vor den ausgeschalteten Fernseher zurück, den er ein paar Minuten später schlechten Gewissens – und ohne Ton – einschaltete. Ohne Kommentar war Football nicht dasselbe, das Spiel kaum mehr als eine Abfolge sinnloser Zusammenstöße riesiger Männer. Die Werbespots sahen aus wie alte Stummfilme, die Reklamefilmchen der Videospiele wie Szenen aus einem höllischen Albtraum, auch wenn David eines seiner eigenen Produkte wiedererkannte. Als Alice mit Eimer und Schwamm hereinkam, hielt er es nicht mehr aus und fuhr ins Büro. Obwohl es dort eigentlich nichts zu tun gab.
    Also wandte er sich wieder seinem Buch zu. Er öffnete das Dokument auf dem Bildschirm und las, zunächst im Stehen und mit auf den Schreibtisch gestützten Handflächen. Später setzte er sich, feilte an ein paar Sätzen herum und landete schließlich wieder an der Stelle, an der er sich festgefahren hatte.
    »Wie geht es dir?«, fragte er Alice, als sie am Abend im Bett lagen.
    »Gut«, sagte sie und stierte an die Zimmerdecke, die Hände über der Brust gefaltet.
    »Sicher?«
    »Ja«, sagte sie, »ganz sicher.«
    »Nichts, worüber du reden möchtest?«
    »Nein.«
    »Nichts, das du mir sagen willst?«
    »Nein.«
    Sie gab keinen Millimeter nach, und allein das war ihm völlig neu. »Tja, dann gute Nacht«, sagte David. Er saß da und wartete.
    »Gute Nacht«, antwortete sie, knipste das Licht aus und rollte sich auf die Seite.
    David blieb sitzen und beobachtete sie, er fragte sich, ob ihre Augen offen oder geschlossen waren, er hoffte, sie würde sich umdrehen und ihn ansehen, und als nichts von alledem geschah, legte er sich hin und starrte an die Decke. Ich muss Geduld haben, dachte er. Ich muss Vertrauen haben. Das wäre das Richtige; vertrauensvoll geduldig zu sein.
    Als er am nächsten Morgen aufwachte, war er allein.
    Normalerweise stand er vor Alice auf, und im ersten Moment fühlte er sich ähnlich orientierungslos und einsam wie damals als Kind, wenn er bei einem Freund übernachtet hatte und nach dem Aufwachen eine schreckliche Sekunde lang nicht wusste, wo er war. Es roch nach Kaffee, und David ging in die Küche, wo Alice am Tisch saß. Ihr Laptop war aufgeklappt, sie hatte eine ganze Schreibblockseite mit Notizen gefüllt und war gerade dabei, ein hart gekochtes Ei zu pellen. Sobald er sich einen Kaffee eingeschenkt hatte und neben ihren Stuhl getreten war, hielt sie inne, klappte den Rechner zu und drehte den Schreibblock um. David konnte es nicht fassen.
    Er ließ den Kaffeebecher in der Luft kreisen, wie um alles einzuschließen, und obwohl er sich geschworen hatte, vertrauensvoll geduldig zu sein, konnte

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