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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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warum konnte er nicht für sie mitdenken?
    Außerdem hatte er schrecklichen Hunger. Obwohl er so müde war, kreisten seine Gedanken plötzlich nur noch ums Essen. Wann hatte er zum letzten Mal etwas zu sich genommen? Mit vollem Bauch würde er vielleicht zur Ruhe kommen und besser schlafen. Aber wo? Und wie lange würde er noch warten müssen? Er dachte daran, sich ein Hotelzimmer zu nehmen, aber dann fiel ihm ein, dass sie bereits im Mandarin reserviert hatten. Immerhin war er auf Dienstreise. Dienst? Nichts war, wie es sein sollte. Und plötzlich war er überzeugt, dass jeder Schritt ihrer Reise von New York nach Oahu, jedes ausgesprochene Wort und jede Tat bis zu diesem Moment den alleinigen Zweck gehabt hatten, ihr Kind zu töten.
    »Mr. Pepin?«
    »Ja?«
    Vor ihm stand ein indischer Arzt, groß, mit schlanken Fingern und einer langen, königlichen Nase.
    »Ich bin Dr. Ahmed«, sagte er, »der für Ihre Frau zuständige Gynäkologe. Können wir uns unterhalten?«
    »Ja.«
    Sie waren allein im Wartebereich, deswegen nahm der Arzt neben ihm Platz.
    »Mein Beileid zu Ihrem tragischen Verlust«, sagte er. »Wie geht es Ihnen?«
    »Wie geht es Alice?«
    »Ihr Zustand ist stabil. Die Ärzte im Flugzeug haben hervorragende Arbeit geleistet.«
    David nickte. Seine Hände, die auf seinen Oberschenkeln lagen, fühlten sich an, als könnten sie jeden Augenblick zu schweben anfangen und über seinem Kopf davonfliegen, deswegen klemmte er sie sich vorsichtshalber zwischen die Beine und presste die Knie aneinander.
    »Die ersten Laborergebnisse sind da«, sagte der Arzt. »Die Schwangerschaft Ihrer Frau wurde durch eine Störung beendet, die sich Thrombophilie nennt. Es handelt sich um eine leider sehr weit verbreitete Gerinnungsstörung. Fast eine von fünf Frauen ist betroffen. Wissen Sie, wie Blutgerinnung funktioniert?«
    David schüttelte den Kopf.
    »Wenn unser Gewebe verletzt wird, kleben die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen zusammen, um die Wunde zu verschließen. Sie legen sich über die Verletzung und dichten sie ab.« Er legte eine Hand auf die andere. »Eine Gerinnungsstörung hat leider ein Phänomen zur Folge, das man auch inkorrekte Gerinnung nennen könnte. Es handelt sich um eine Art Falscherkennung. Der Körper Ihrer Frau hat auf die Schwangerschaft wie auf eine Krankheit reagiert. In ihrer Gebärmutter haben sich Blutgerinnsel gebildet, die zu einem Plazentaabriss geführt …« – er fuhr sich mit der Fläche der einen über den Rücken der anderen Hand, so als streiche er ein Zündholz an – »… und die Fehlgeburt ausgelöst haben.«
    David wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte gehofft, in der ärztlichen Aufklärung Trost zu finden, aber das alles klang so abstrakt, dass es ihm nicht weiterhalf.
    »Mr. Pepin«, fuhr Dr. Ahmed fort, »ich verstehe Ihren Kummer. Trotzdem halte ich es für einen seltenen Glücksfall, dass man den Zustand Ihrer Frau noch vor dem Rückflug erkannt hat. Patientinnen mit dieser Störung dürfen längere Flugreisen nur dann antreten, wenn sie vorher über einen längeren Zeitraum hinweg blutverdünnende Medikamente eingenommen haben. Die Venen in unseren Beinen« – der Arzt berührte sich am Oberschenkel – »werden von Muskeln unterstützt, die durch Kontraktion die Blutzirkulation anregen. Patientinnen mit der Krankheit Ihrer Frau neigen dazu, an dieser Stelle Gerinnsel zu bilden, die zum Herzen, in die Lunge oder ins Gehirn wandern können. In der Folge kann ein schwerer Schlaganfall, eine Lungenembolie oder ein Herzinfarkt auftreten.«
    David wartete.
    »Ihre Frau hätte auf dem Rückflug sterben können«, sagte der Arzt. »Und auf dem Hinflug ebenso. Dann hätten Sie Ihre ganze Familie verloren.«
    Wie seltsam, dachte David, so weit weg von zu Hause zu sein und sich vor einem Mann, den man nie wiedersehen wird, sagen zu lassen, man hätte alles verlieren können. »Darf ich Sie etwas fragen?«, sagte David.
    »Bitte sehr.«
    »Sind Sie sicher, dass diese Störung der Grund war?«
    »Ja.«
    »Es könnte nicht an etwas anderem gelegen haben?«
    »Nein.«
    David überlegte kurz. »Sind Sie sicher?«
    »Ganz sicher.« Der Arzt legte eine Hand auf Davids Schulter.
    »Darf ich zu ihr?«
    »Wir haben sie ruhiggestellt.«
    »Was ist mit dem Baby? Was geschieht jetzt mit ihm?«
    »Wir werden ihn noch für eine Weile bei der Mutter lassen – bei Ihnen beiden. Es gibt keinen Grund zur Eile.«
    »Wann kann ich zu ihr?«
    »Sie liegt in Zimmer

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