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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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einer Person auf Anhieb und so grenzenlos zu vertrauen, war fast mit der Liebe selbst zu vergleichen, dachte David. Es war nicht weniger echt als der Hunger, den er schon wieder verspürte.
    »Haben Sie schon einen Tisch fürs Abendessen reserviert?«, fragte Harold.
    David warf einen Blick auf die Uhr: Es war kurz nach sechs. »Nein.«
    »Wann möchten Sie essen gehen?«
    »In einer Stunde, aber nur vielleicht. Ich möchte abwarten, wie sie sich bis dahin fühlt.«
    »In Ordnung.«
    »Was sollen wir tun?«
    »Wann?«
    »Morgen.«
    »Was möchten Sie tun?«
    »Keine Ahnung. Wenn wir reisen, übernimmt Alice normalerweise die Planung.«
    »Ich verstehe.«
    »Ich bin nicht besonders neugierig.«
    »Das ist in Ordnung.«
    »Ich verreise nur, wenn es sein muss. Für die Firma.«
    »Wir werden uns um alles kümmern.«
    »Sie macht immer alles.«
    »Seien Sie nicht so streng mit sich.«
    »Ich tue nie etwas.«
    »David, beruhigen Sie sich.«
    Einen Moment lang war er sich nicht mehr sicher, ob Harold tatsächlich existierte.
    »Weiter«, sagte Harold, »fragen Sie mich einfach.«
    »Es ist falsch, jetzt über einen Urlaubstag nachzudenken.«
    »Nein, das ist es nicht.«
    »Was ist der Diamond Head eigentlich?«
    »Ein erloschener Vulkan. Obwohl man in Hawaii nie genau wissen kann, ob ein Vulkan endgültig erloschen ist.«
    Später beim Abendessen stellte Alice dieselbe Frage. Falls seine Erklärung sie beeindruckte, ließ sie sich nichts davon anmerken. Ihr Wortwechsel war nicht mehr als ein Hintergrundgeräusch, ein kurzes Innehalten während des Stopfvorgangs, der Vulkan das einzige Thema, für das sie ihr Essen unterbrachen. David aß unermüdlich, und er hatte auch Alice niemals so viel essen sehen. Als Vorspeise bestellte sie Calamari, einen großen Teller voll, der eigentlich für zwei gedacht war und den sie allein leerte, ohne ein einziges Mal aufzublicken, nicht einmal zum Luftholen. Sie bestellte Thunfischtatar und dann den Wolfsbarsch, der auf einem Risottobett serviert wurde, und schließlich, zum Nachtisch, den Käseteller. Während des ganzen Essens konnte er sie durch die Nase atmen hören.
    »Was unternehmen wir morgen?«, fragte sie, als der letzte Teller leer war.
    »Überraschung«, sagte er.
    »Und wenn mir deine Überraschung nicht gefällt?«
    »Dann überlegen wir uns etwas anderes. Sag mir einfach, was du tun möchtest.«
    »Was, wenn ich nach Hause will?«
    »Das lässt sich machen.«
    »Ich meine, sofort. Noch heute Abend.«
    »Auch das lässt sich machen.«
    »Hör verdammt noch mal auf, mir ständig zuzustimmen! Hör auf, so gottverdammt gefügig zu sein!«
    Er wartete. Sie schien ihre Wut so wenig unter Kontrolle zu haben, dass er nicht wagte, sich zu bewegen.
    »Versuche ja nicht, einen Urlaub daraus zu machen.«
    »Nein, das werde ich nicht.«
    Sie seufzte auf und faltete dann gelangweilt ihre Serviette zusammen.
    »Ich finde, wir sollten für eine Weile hierbleiben«, sagte er. »Ich möchte einfach nur abwarten.«
    Dazu sagte sie nichts mehr.
     
    Später, am selben Abend, wurde er von ihrem Schluchzen geweckt. Manchmal heulte sie auf, so laut, dass er fürchtete, der Sicherheitsdienst würde jeden Augenblick an die Tür klopfen. Er versuchte, sie zu umarmen, woraufhin sie ihn mit den Ellenbogen oder mit dem Unterarm abwehrte, bis er schließlich aufgab und das Bett verließ. Der räumliche Abstand schien sie ein wenig zu beruhigen. Sie lag im Dunkeln, ihr Rücken hob und senkte sich, sie zerwühlte die Laken und murmelte ins Kissen. David trat auf die Veranda hinaus und schob die Tür hinter sich zu. Ihre Trauer presste ihm die Lunge zusammen.
    Nach einigen Minuten ging er wieder hinein.
    »Rede mit mir«, sagte er, »bitte.«
    Er wartete. Alice wurde still. Dann hockte sie sich im Bett auf die Knie, die Laken um sich gezogen wie einen Sockel.
    »Zwing mich nicht, es auszusprechen«, flüsterte sie.
    Er floh aus der Suite, ging nach unten an die Bar und trank, bis ihm die Augen zufielen. Als er wieder hinaufging, war Alice eingeschlafen.
    Als er mitten in der Nacht aufwachte, war sie verschwunden. Die Verandatüren standen offen, das Rauschen des Windes und der Palmwedel erfüllte das Zimmer, und die Vorhänge schwebten so zögerlich in der Brise wie die Fäden einer Qualle. Er rief ihren Namen, bekam aber vor Angst kaum noch Luft. Er war überzeugt, dass sie auf die Veranda hinausgegangen und gesprungen war, so überzeugt davon, dass er nicht wagte hinauszugehen, sich über das Geländer

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