Mister Peanut
anzusehen.
»Ich will ins Bett«, sagte sie.
Am nächsten Morgen schliefen sie aus. David bestellte Kaffee aufs Zimmer und schlug ihr vor, frühstücken zu gehen.
»Gute Idee«, sagte sie, »ich sterbe vor Hunger.«
Die Rezeption rief an, um die Reservierung zum Delfinschwimmen um halb elf zu bestätigen, und als er es Alice ausrichtete, wirkte sie erfreut.
Zum Frühstück setzten sie sich auf die Terrasse mit Meerblick. Alice entschied sich für das Buffet: zu langen Zigarren zusammengerollte, sirupgetränkte Pancakes, frisch an der Omelettbar zubereitetes Rührei mit Schinken, Käse und Schnittlauch; ein Teller voll mit Obst, Schinken, Speck und sogar etwas Sushi. David litt nach dem Vorabend an einem flauen Magen und bestellte Haferschleim und Kaffee.
»Lass uns ein wenig hier sitzen bleiben«, schlug sie vor und drehte sich zum Wasser um.
Als der Kellner kam, bestellte sie einen zweiten Sekt mit Orangensaft, dann lehnte sie sich zurück und rieb sich den Bauch.
»Mein Gott«, flüsterte sie und schaute auf den Pazifik hinaus.
Er fragte nicht nach.
Er fragte sie auch nicht, was die Delfintrainerin zu ihr gesagt hatte, was sie so zum Lachen gebracht hatte, als sie in die Mitte der Lagune hinausgewatet waren. Er freute sich einfach, sie glücklich zu sehen. Die Trainerin leitete sie und vier weitere Hotelgäste an, sich den Tieren zu nähern und sie Kunststücke machen zu lassen. Der Delfin drehte sich im Kreis, mehr als den halben Körper über Wasser; er tänzelte auf dieselbe, scheinbar schwerelose Art rückwärts; er sammelte drei in verschiedene Richtungen geworfene Ringe ein, wobei er sie in dem Moment zu schnappen schien, in dem sie die Wasseroberfläche berührten – und dann zog er Alice ganz allein in die Beckenmitte hinaus.
David stieg die schmale Treppe, von der aus man die Lagune überblickte, zur Hälfte hinauf, um Fotos zu machen. Die Morgensonne streute Edelsteine auf die Wasseroberfläche, sie wirkte wie ein Weichzeichner und hätte die Aufnahmen viel zu malerisch, zu ansichtskartenmäßig wirken lassen, hätte die Freude im Gesicht seiner Frau sie nicht gerettet, sie persönlich und vollkommen ungestellt wirken lassen. Alice zu sehen, wie sie nach jedem Kunststück applaudierte, beim Wassertreten der Trainerin zuhörte, sich mit dieser Fremden unterhielt, schenkte ihm einen kostbaren Moment; er sah, wie sie ohne ihn in der Welt war und eine so ungetrübte Freude empfand wie nur selten, wenn überhaupt je. Er dachte an die Erzählungen aus ihrer Kindheit, an ihre schreckliche Einsamkeit, an das Gefühl, nicht gewollt zu sein, an ihre Überzeugung, der Liebe an sich nicht wert zu sein. Sie schützte sich vor dem Glück. Das ungeborene Kind hatte diese Schutzmauern überwunden, natürlich, es hatte sie einstürzen lassen wie die Mauern von Jericho. Und er bewunderte, dass sie so schnell nach dem Verlust die nötige Kraft aufbrachte, sich dem glücklichen Hier und Jetzt zu öffnen. »Das hat dir anscheinend Spaß gemacht«, sagte er, als er sie an der Eingangspforte in Empfang nahm.
Sie drückte sich das Wasser aus dem Haar und zog die Schwimmweste aus. »Was soll daran keinen Spaß machen?«, fragte sie.
Später fuhren sie mit dem Taxi nach Waikiki, aber David bemerkte in der Sekunde, als sie dort ankamen, dass er einen Fehler gemacht hatte. Hier war nichts schön, nichts verzauberte die Gedanken. Das Einkaufszentrum in der Stadt sah aus wie in jeder anderen beliebigen amerikanischen Metropole auch, und schaute man die Kalakaua Avenue hinunter, kam man sich vor wie in Atlanta oder St. Louis. David und Alice wanderten ziellos durch die Straßen, kamen bei Tiffany’s und Banana Republic, The Gap, Niketown, Brooks Brothers, Gucci, Bebe und Abercrombie & Fitch vorbei; in den Nischen dazwischen fand sich ein T-Shirt-Laden nach dem nächsten, von denen einige zu Multifunktionsshops umfunktioniert worden waren und den Touristen billige Surfer-Shirts, Macadamianüsse, Kokossirup (David griff zu), Sonnenmilch und Sonnenbrillen und Sonnenhüte, Wein und Bier und Schnaps anboten. Ein Stück weiter gab es unter freiem Himmel einen Markt, an dessen Ständen Schneekugeln, Blumengirlanden, Grasröcke, Bikinis, Ethnokitsch und falsche hawaiianische Holzskulpturen verkauft wurden; es gab Fotoautomaten und Imbissstände, Verkaufsstände mit Türkis- und Silberschmuck, Ketten mit Haifischzähnen und silbernen Meeresschildkröten, Puka-Ketten, die sich auf Holzständern übereinandertürmten, lang wie
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