Mister Peanut
afrikanische Hälse, folklorisierter Schnickschnack, wie ihn nur die Geschmacksverirrten und die Gebrechlichen trugen und der in irgendwelchen versteckten Fabriken im Hinterland produziert wurde, wenn nicht gar von bettelarmen Kindern in Indien oder China.
Auch Alice wirkte angestrengt. »Ich brauche nichts davon«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»Ich habe null Lust auf Shoppen und schon gar nicht auf diesen Müll.«
»Davon bin ich auch gar nicht ausgegangen.«
»Ich möchte was trinken«, sagte sie, »ich möchte mich hinsetzen.«
Eines der Hotels direkt an der Mamala-Bucht verfügte über ein Terrassencafé mit unbequemen, schmiedeeisernen Stühlen und mit Kellnern, die kaum dem Kindesalter entwachsen waren. Die Cruzan-Rum-Pappaufsteller auf den Tischen warben für M AI T AI ! Davids Bier wurde in einem durchsichtigen Plastikbecher serviert – Müll, dachte er, der bald im Meer landen würde. Kleine Vögel stürzten sich auf jeden Krümel, der zu Boden fiel, und drängelten sich auf jedem Teller, der nicht augenblicklich von den Hilfskellnern abgeräumt wurde. David sah unglaublich viele fettleibige Menschen.
»Ich bin am Verhungern«, sagte Alice und überflog die Karte.
Von hier aus konnten sie Waikiki Beach überblicken, jenen Sandstreifen, den wirklich jeder schon einmal irgendwo gesehen hat, in Filmen oder im Fernsehen oder auf einer Postkarte, so allgegenwärtig wie der Grand Canyon. Jetzt, wo sie selbst an diesem Strand standen, wurde er den Erwartungen nicht mehr gerecht und wirkte plötzlich klein und banal. Überall waren Surfer unterwegs, Mädchen, Jungen, alte Männer, Teenager; in Strandnähe und auch weiter draußen ritten sie die Wellen, die sich bis zum Horizont dahinzuziehen schienen; das Wasser wirkte klumpig vor lauter Schwimmern und Leuten mit Bodyboards, die sich zwischen den Katamaranen und Sportbooten hindurchmanövrierten und in halsbrecherischem Tempo auf den Strand zugeschossen kamen, während über allem die Kleinflugzeuge dröhnten. Die Menschenmenge erinnerte an Schwarz-Weiß-Fotografien vom Coney Island der Vierzigerjahre, auf denen ebenfalls der Strand so überlaufen war, dass man den Sand nicht mehr sehen konnte. Es war, dachte David, als würde man zum Zeitvertreib während der Stoßzeit mit der U-Bahn fahren; unmöglich konnten die Rettungsschwimmer, die die Menge von ihren hohen Türmen aus befernrohrten, inmitten der dümpelnden Köpfe und Arme und Beine einen Ertrinkenden bemerken. Entsetzlich, dachte David.
»Entsetzlich«, sagte Alice.
Sie nannten das Paartelepathie. Nicht, dass Alice’ Unzufriedenheit sich auf ihren Appetit niedergeschlagen hätte. Sie bestellte einen Chefsalat zu ihrem Bacon-Cheeseburger, einen Bananen-Daiquiri, ein Stück Limonen-Sahnetorte. Als das Essen vor ihr stand, schlang sie es ohne Pause hinunter und ließ den Vögeln nichts übrig.
»Das kann unmöglich Hawaii sein«, sagte sie schließlich.
»Ich weiß, was du meinst.«
»Das kann nicht alles sein.«
»Nein.«
»Es kann nicht sein, dass wir deswegen hergekommen sind.« Sie fing zu weinen an.
»Sind wir nicht«, sagte er schnell, »versprochen.«
»Dann bring mich von hier weg«, schluchzte sie.
Als sie wieder im Hotel waren, reservierte Alice eine Umkleidekabine am Strand. Er sagte ihr, er wolle in der Suite bleiben und sich ein wenig ausruhen und später dazustoßen.
Sobald er oben war, rief er Harold an.
»Wir müssen irgendwo anders hin«, sagte er. »An einen unverdorbenen Ort.«
Sie flogen nach Kauai.
Obwohl David es bei der Abreise noch nicht wusste, war Kauai genau der Ort, den Alice jetzt brauchte, der Ort, nach dem sie gesucht hatte, seit ihr Kind gestorben war – auch ihr selbst wurde das erst klar, als sie dort angekommen waren.
Die westlichste Insel der Kette liegt nur eine halbe Flugstunde von Honolulu entfernt. Sie ist kreisrund, misst im Umfang keine hundertfünfzig Kilometer und besteht größtenteils aus Bergen und unerschlossenem Gelände. Am Flughafen erhielt David – Harold sei Dank – eine dicke Broschüre voller Karten und geografischer Informationen und dazu den Schlüssel zu einer Ferienwohnung an der Nordküste.
Alice hatte nicht nach Schönheit gesucht, obwohl es die hier im Überfluss gab. Wenn er sich später Fotos von der Reise anschaute, was er oft tat, dann kam David zu dem Schluss, dass Kauais Schönheit von einer Art war, die sich nicht ansatzweise auf Fotos bannen ließ.
Der Blick von der Terrasse zum Beispiel, die sich auf einer
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