Mister Peanut
nicht heraus, die sie an jenem Nachmittag zu durchwaten versuchten, um das dahintergelegene Korallenriff zu erreichen, und die ihnen die Füße unter dem Leib wegzog und sie, Hand in Hand, auf die gigantische Brandung zuspülte – es war, als würden sie verschluckt –, bis sie schließlich an der flachsten Stelle im Flussbett strandeten, dem letzten sicheren Hafen zwischen Zufluss und Ozean, so als trachte ihnen das Wasser selbst nach dem Leben. (Erst später, als sie sich ein wenig beruhigt hatten, konnten sie darüber lachen.) Die Fotos gaben nichts von ihrem Staunen über die drei hawaiianischen Jungen wieder, keiner älter als zwölf, die mit Bodyboards auf ebendiesen monströsen Wellen ritten, über die absolute Kontrolle, mit der sie die Wellenbrecher umschifften, über ihr Vertrauen , mit dem sie den Klippen so nahe kamen. »Es ist, als würden sie auf Sprengstoff spielen«, sagte Alice.
Die Fotos ließen nicht einmal erahnen, wie still es auf dem achthundert Meter langen, von Baumwurzeln und Steinen erschwerten Abstieg zum Secret Beach zuging, der von einem so dichten Blätterdach abgeschirmt wurde, dass man sich in einem schalldichten Tunnel aus Bäumen und Gestrüpp wähnte und den Ozean weder sah noch hörte. Nur aus dem Augenwinkel nahmen sie wahr, wie unglaublich gut aussehend das junge Paar, das ihnen entgegenkam, tatsächlich war. Der Mann war groß und hatte sandblondes Haar und markante Gesichtszüge, er war unrasiert, trug ein Surfbrett unter dem Arm und hüpfte so behände von Stein zu Stein wie eine Bergziege. Seine hawaiianische Frau trug eine Lilie im Haar, wie um zu bestätigen, dass sie eine Art Inselprinzessin war. Dicht dahinter folgte ihr Sohn, barfuß, langhaarig, mit einem Rip-Curl-Surfer-T-Shirt. Als Alice stehen blieb, um ihn zu betrachten, war es, als müsste David zusehen, wie ein Pfeil das Herz der Geliebten durchbohrte, wie seine eigene Zukunft an ihm vorbeilief.
Niemals fotografierte er die Urne, dabei wusste er immer, wo sie stand. Alice hatte sie auf einem kleinen Tischchen neben der Terrassentür aufgestellt. Direkt daneben ragte eine Orchidee aus einem kleinen Wasserkrug; die Blütenblätter strahlten so blau, als wären sie von innen beleuchtet.
Umso eindrücklicher belegten die Fotos Alice’ Gewichtszunahme während der zwei Wochen, die sie auf der Insel verbrachten, über acht Kilo, die ihre Wangen füllten und ihre Arme und Beine aufbliesen. Stapelte man die Bilder übereinander und ließ sie in der richtigen Reihenfolge durch die Finger laufen, erhielt man ein eindrucksvolles Daumenkino ihrer Gewichtsveränderung. Nach jeder opulenten Mahlzeit lehnte sie sich zurück, atmete tief aus und rieb sich den Bauch.
Von den Hunderten von Fotos zeigte nur eines sie beide zusammen. Die Aufnahme war während ihrer Wanderung auf dem Na Pali entstanden, gegen Ende ihres Aufenthaltes auf Kauai. Der Wanderweg fing am Ke’e Beach an, am hintersten Ende des Highways, der die Insel umrundete, und stieg dann steil an und verlor sich mehrere Hundert Meter über dem Strand zwischen den Felsen. Nach dem Studium der Karten und Wanderführer, die Harold ihm gegeben hatte, erklärte David Alice, dass ihnen drei Möglichkeiten blieben. Sie könnten drei Kilometer in Richtung des Hanakapi’ai Beach wandern und dann umkehren. Sie könnten sich drei Kilometer weiter wagen und versuchen, das Hanakoa Valley zu erreichen, was ihnen einen Tagesmarsch abverlangen würde. Oder sie könnten, falls sie in der Stimmung für eine wirklich extreme Herausforderung war, noch acht Kilometer dranhängen und bis zum Kalalau Beach wandern, einem unter Naturschutz stehenden, isolierten Sandstreifen, den per Boot zu erreichen verboten war. Sie müssten dort über Nacht zelten, wozu sie eine Genehmigung bräuchten. Der Weg, warnte er, war etappenweise schwierig und gefährlich; tatsächlich war er an manchen Stellen so schmal, dass auch nur leichte Regenfälle ihn unpassierbar machten.
All das trug er mit einer an Verachtung grenzenden Gleichgültigkeit vor. Er war über die Nächte endlosen Weinens hinweg, er war fertig und erschöpft, nicht, weil er ihr die Trauer nicht gönnte, sondern weil sie ihm strikt verbot, sie zu trösten. Er war über die Wut hinweg, die sie ihm entgegenschleuderte, wann immer er doch einen Versuch wagte und ihr zu nahe kam. Er hatte es satt, abends zum Schlafen in ein anderes Zimmer zu gehen, er hatte es satt, dass sie ihn nicht beachtete, dass er sie nicht berühren durfte, dass
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