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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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Skilift Platz genommen hat. Alice hielt sich an seiner Hand fest und sagte leise seinen Namen. Seine Füße schlitterten über den Sand. Das Wasser reichte ihnen jetzt bis an die Achseln. »Wir sollten …«, sagte er, aber da erhob sich die Welle über ihnen. Er fühlte sich so ängstlich und dumm, dass er laut lachen musste; ihm wurde nun klar, dass es mit Abstand die größte Welle war, die er je gesehen hatte. Es war zu spät, sie konnten nichts anderes mehr tun, als sich hineinzustürzen. Er zog Alice voran und versuchte mit all seiner Kraft, sie zu beschleunigen, während die stürzende Wellenkante unter dem Gewicht ihrer eigenen Wassermasse Schlürfgeräusche machte. Als sie in die Wand eintauchten, wurde Alice’ Hand aus der seinen gerissen. Er tauchte ab und spürte den Sog der Welle über sich hinwegstreichen. Stille, Dunkelheit, dann wieder Licht. Er schaute hinauf und sah riesige Eisberge aus Schaum, so als schwebe er über einer arktischen Landschaft. Er kam an die Oberfläche, drehte sich um und entdeckte seine Frau – oder vielmehr ihre Gliedmaßen – auf dem Buckel der Woge. Die zerstückelte Alice – Arm, Fuß, Bein, Arm – wirbelte in Sicht und wieder hinaus, während sie von der Welle an den Strand getragen wurde. Ihre Körperteile waren so schnell unterwegs wie auf einem Zug. Dann brach die Welle, er konnte die Erschütterung fühlen, und die Gischt schoss in die Luft. Alice wurde mit solcher Kraft ausgespien, dass sie über den Strand purzelte und schließlich auf Händen und Knien landete. Dann setzte sie sich hustend auf.
    »Alles in Ordnung?«, rief er.
    Sie blieb beleidigt sitzen und antwortete nicht.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Sie stand auf und ging zu dem Felsen zurück, vor dem sie ihre Rucksäcke abgestellt hatten. Hinter sich hörte er die Stimme eines jungen Mädchens. Es war, als sei er durch einen Zauber hertransportiert worden. Da war er nun inmitten der Jugendlichen, etwa fünfzig Meter vom Ufer entfernt. Er drehte sich noch einmal nach Alice um. »Soll ich rauskommen?«, schrie er.
    Sie saß auf dem Felsen, niedergeschlagen, ausgeschlossen.
    Anscheinend redete sie wieder einmal nicht mehr mit ihm.
    Er drehte sich um und ließ sich mit der Gruppe treiben. Warum hatte er so lange auf einen Spaß verzichtet? Er unterhielt sich mit den Kindern, während die Dünung sie wiegte. Sie kamen aus San Francisco und waren mit der Schulklasse hier. Sie hatten am Kalalau Beach übernachtet, die Wanderung war seit Monaten geplant gewesen. Der Aufstieg war der Hammer! Ein Mädchen meinte, etwas Gruseligeres hätte sie nie erlebt.
    Egal, was sie versuchten, dachte David, egal, wie sehr sie sich anstrengten, sie würden immer wieder enttäuscht werden. Das Foto, das die Frau von ihnen geknipst hatte, fiel ihm blitzartig wieder ein, und wie Alice ihren Arm um seine Taille gelegt hatte. Falls sie noch länger hierblieben, würde nichts von ihrer Ehe übrig bleiben.
    Als er sich wieder umdrehte, war sie verschwunden.
    Ihr Rucksack ebenfalls. David beeilte sich, an den Strand zurückzukommen, und schaute zu dem steinernen Fluss hinauf, der den Wanderpfad zerteilte. Er konnte sie nirgends sehen, obwohl ihre Fußspuren in diese Richtung führten. Er zerrte ein Handtuch aus seinem Rucksack, trocknete sich ab, zog sich hastig an und lief zum Pfad hinauf. Alice war nirgendwo zu sehen. Wie in aller Welt hatte sie in der kurzen Zeit so weit kommen können? David erreichte die Weggabelung. Ein Pfeil wies zurück zum Ke’e Beach, der andere in die entgegengesetzte Richtung zum Na Pali und dem drei Kilometer entfernten Hanakoa Valley. Er schaute sich noch einmal um, scannte den Strand ab. Nichts. Zog man ihren körperlichen Zustand in Betracht – und alles andere –, blieb nur eines: Sie hatte den Rückweg angetreten. Er schaute zu den Serpentinen hinauf, die zum Strand von Ke’e führten, konnte aber aus diesem Blickwinkel niemanden sehen. Er rief ihren Namen, woraufhin ihn die vorbeikommenden Wanderer verdutzt ansahen, und als er keine Antwort bekam, beugte er sich vor, stützte die Hände auf die Knie und fluchte so leise und wirr vor sich hin, dass es klang, als wäre er von einem Dämon besessen. Er richtete sich wieder auf, stemmte die Hände in die Hüften, spürte einen Anflug von Panik. Die Entscheidung war folgenschwer. Falls sie sich für Hanakoa entschieden hatte und er zum Ke’e Beach zurücklief, würden sie sich möglicherweise erst in vierundzwanzig Stunden wiedersehen. Oder noch

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