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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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stand, würde er sich bei ihr entschuldigen. Er war überzeugt, dass die spektakuläre Aussicht auch sie besänftigen würde.
    »Sieh dir das an«, sagte er, als sie ihn erreicht hatte.
    »Leck mich«, sagte sie, marschierte an ihm vorbei und verschwand hinter der nächsten Biegung.
    David blinzelte, lachte kurz auf und eilte ihr dann nach.
    Er lief, bis er direkt hinter ihr war. Er wäre am liebsten neben ihr gegangen, aber der Pfad war zu schmal; zur Linken ragte die Felswand in die Höhe, zur Rechten fiel sie steil ab. Weil Alice den Rucksack trug, konnte er nicht mehr von ihr sehen als ihre Beine, wenn sie gestikulierte auch ihre Arme und Hände. Also unterhielt er sich mit ihrem Rucksack. »Leck mich?«, fragte er. »Was habe ich dir getan?«
    »Sag am besten gar nichts«, sagte sie.
    »Wir haben nicht mehr geredet, seit wir hier sind.«
    »Du hast es so gewollt.«
    »Selbstverständlich wollte ich reden!«
    »Du redest nicht«, sagte sie, »du wiederholst immer nur, was ich sage.«
    »Ich warte darauf, dass du etwas sagst!«
    »Ach, bitte.«
    »Ich warte darauf, dass du mich endlich einmal ansiehst!«
    »Ja, natürlich, es ist allein meine Schuld.«
    »Das schon wieder.«
    »Es ist immer meine Schuld.« Sie drehte sich halb um, ohne ihr Tempo zu drosseln. Sie presste Daumen und Zeigefinger zusammen. »Ich bin dein Fußabtreter.«
    »Um Gottes willen.«
    »Fuß-ab-tre-ter.«
    »Geht es auch weniger dramatisch? Könntest du dich ausnahmsweise mal beruhigen? Dann muss ich nicht immer derjenige sein, der abwarten und sich am Ende entschuldigen muss.«
    »Du und deine verdammten Entschuldigungen. Du denkst, damit könntest du alles ungeschehen machen. Als gäbe es einen gottverdammten Reset-Knopf. Aber es gibt Sachen, die lassen sich nicht ungeschehen machen!«
    »Was denn zum Beispiel? Etwas, das ich getan habe?«
    »Zwing mich nicht, es auszusprechen!«
    Sie blieb so unvermittelt stehen, dass er beinahe in sie hineingerannt wäre. Sie stellte sich mit dem Rücken zur Felswand und bewegte sich seitwärts weiter, um eine Gruppe von Wanderern vorbeizulassen, die ihnen entgegenkam. David wusste nicht, ob sie von ihrem Streit etwas mitbekommen hatten.
    Für eine Weile gingen sie schweigend weiter.
    »Ich warte«, sagte er schließlich.
    Sie antwortete nicht.
    »Ich warte darauf, dass du es aussprichst.«
    Alice schwieg.
    »Es ist wie die Vierundzwanzig im Adventskalender. Ich kann es gar nicht erwarten.«
    Alice stolperte.
    Er sah es, noch bevor sie es sah. Als er es sah, war er überzeugt, dass sie den restlichen Aufstieg nicht schaffen würde. Sie war nicht in Form; der Rucksack war zu schwer. Sie hatten gerade einmal zwei Kilometer hinter sich gebracht, und schon schaffte sie es kaum noch, den Fuß über einen so kleinen Stein zu heben; sie blieb daran hängen, was sie nach rechts taumeln ließ, auf die Kante zu, und als der Rucksack nach vorn rutschte, riss er sie mit. Sie landete auf der Schulter, wobei der Schwung ihre Beine in die Luft schleuderte. Davids Herzschlag setzte aus. Aber dann blieb sie glücklicherweise reglos liegen. Ein paar Handbreit weiter, und sie wäre abgestürzt. Er beugte sich vor, um ihr aufzuhelfen.
    »Fass mich nicht an«, sagte sie.
    Eine zweite Gruppe kam vorbei. Als der Anführer sah, dass Alice sich den Staub von der Jacke klopfte, fragte er, ob alles in Ordnung sei. David sagte, sie sei ausgerutscht, werde sich aber schnell erholen. In Gegenwart der Fremden fing Alice sich schnell, und ihre Freundlichkeit verbitterte ihn. Der Pfad war an dieser Stelle so eng, dass ein clowneskes Manöver vonnöten war, wollte man sich aneinander vorbeischieben. Man näherte sich dem Herankommenden so dicht wie möglich und presste sich dann um ihn herum.
    Schließlich war die Gruppe vorbei, und Alice blieb für eine Weile reglos stehen. Ein Helikopter donnerte über ihre Köpfe hinweg, dessen Motorengeheul lauter als jede U-Bahn und jedes Feuerwehrauto war. An den Seiten trug er den Schriftzug N A P ALI S KY T OURS . Fast konnte einem der Lärm die Aussicht vergällen.
    Alice strich sich das Haar hinters Ohr und wartete.
    »Lass mich deine Schulter ansehen«, sagte er.
    Mürrisch drehte sie sich um und ließ sich untersuchen.
    Ihre rechte Schulter war entlang des Deltamuskels aufgeschabt, reife Blutbeeren quollen heraus. Die Haut ringsum hatte bereits einen Lilaton angenommen. »Kannst du den Arm bewegen?«
    »Ja«, sagte sie, verweigerte aber jede Demonstration. »Mir geht es gut.« Sie betrachtete

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