Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
Vom Netzwerk:
versichern; doch als er wieder in ihre Richtung blickte, war sie schon weitergegangen.
    »Warte«, rief er.
    Sie stürzte.
    Der Anblick war entsetzlicher, als er es sich jemals hätte ausmalen können, so viel schrecklicher als der schlimmste Albtraum. Sie hatte sich zu schwungvoll wieder in Laufrichtung umgedreht, sodass ihr Rucksack am Felsen hängen blieb und ihren Oberkörper zurückriss. Ihre Schuhsohlen rutschten über den Boden, ihre Beine wurden nach vorn geschleudert. Wundersamerweise fiel sie gerade nach unten, mit dem Rücken zur Felswand und dem Gesicht zum Ozean; sie landete auf dem Hintern, rutschte ein Stück weit und blieb an der Kante hängen, den rechten Handballen (sie hatte es irgendwie geschafft, die Urne festzuhalten) auf den Pfad gestemmt, während beide Beine und ihr halbes Gesäß über dem Abgrund baumelten. Nur das Tragegestell des Rucksacks, das sich wie ein Hering in den Boden gebohrt hatte, verhinderte ihren Absturz.
    Alice saß kerzengerade und wankte vor und zurück.
    David sprang zu ihr und erkannte erst, als er neben ihr kniete, welche Anstrengung es sie kostete, die Stellung zu halten. Ihre Armmuskeln bebten. Ihr hochgerecktes Kinn verriet die Anspannung in ihrer Nackenmuskulatur, und die Bauchmuskeln unter ihrem T-Shirt zitterten.
    »Oh mein Gott«, sagte sie.
    »Beweg dich nicht.«
    »Ich falle runter.«
    »Beweg dich nicht. «
    Sie hielt das Gleichgewicht, würde aber nicht mehr lange durchhalten. Obwohl er sie am liebsten gepackt hätte, wusste er, dass das ein Fehler wäre. Falls sie abrutschte und er ihren Arm oder den Rucksack zu fassen bekam, würde er sie nicht halten können. Es gab keinen festen Halt, nichts, woran er sich hätte festklammern können. Er betrachtete ihren Körper. Es war, als stünde man vor einer kostbaren Statue, die zu berühren verboten war.
    »Warum hast du mich hergebracht?«, fragte sie.
    Er hörte sie und hörte sie doch nicht. Er hatte ihr seine rechte Seite zugekehrt und kniete fast, seine rechte Hand dicht neben der ihren; plötzlich wusste er, was zu tun war.
    »Warum hast du mich gezwungen herzukommen?«, fragte sie. Ihr Tonfall schwankte zwischen Resignation und Wut.
    »Hör mir genau zu. Ich weiß, was wir jetzt tun müssen.«
    »Ich habe dir gesagt, dass wir es nicht überleben werden, aber du hast darauf bestanden.«
    Obwohl man mitten in der freien Natur war, war es hier oben so unglaublich still. Schnell durchdachte er alles noch einmal.
    »Gib zu, dass du mich gezwungen hast!«
    Er suchte die Felswand nach einem Vorsprung ab, fand einen und überprüfte ihn.
    »Du hättest uns beschützen müssen«, sagte sie.
    Er konnte jetzt nicht anders, als sie zu ignorieren.
    »Du hättest uns beschützen müssen! «
    »Du musst mir jetzt unbedingt zuhören. Wenn du das nicht machst, werden wir sterben.«
    Er war dabei, sie zu verlieren. Sie schluchzte und hatte die letzten Reste ihrer Kraft verbraucht. Sie warf ihren Kopf immer wieder gegen den Rucksack.
    »Willst du, dass wir sterben?«, fragte er.
    Sie gab keine Antwort. Stattdessen warf sie ihm einen erbosten Blick zu. »Nimm ihn«, sagte sie.
    Sie öffnete die Finger ein Stück weit, und er nahm ihr die Urne aus der Hand und stellte sie in sicherem Abstand hinter sich auf den Pfad. »Du musst jetzt loslassen«, sagte er.
    »Du sollst verdammt sein!«
    »Du wirst jetzt für eine Sekunde loslassen müssen und mit deiner rechten Hand« – er streckte den Arm aus – »nach meiner greifen, okay?«
    »Du verdammtes Arschloch.«
    Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. »Okay?«
    Sie hörte ihm zu.
    »Nicht zu schnell«, sagte er. »Ich umfasse jetzt dein Handgelenk, und du packst meines in der Sekunde, in der du loslässt. Handgelenk an Handgelenk.« Er schob seine Hand an ihrem Gesicht vorbei, damit sie es sehen konnte. Sie schloss die Augen. Er schrie ihren Namen, bis sie die Augen wieder aufmachte, dann sprach er leise weiter. »Im ersten Moment wirst du vielleicht ein Stückchen abrutschen, aber ich kann dich halten, so lange, bis du es schaffst, einen Fuß hochzuziehen. Hast du mich verstanden? Du musst einen Fuß unter dich bekommen und aufstehen .«
    Ihre Augen waren wieder geschlossen, so als arbeite sie einen eigenen Rettungsplan aus. Ihr ganzer Körper zitterte vor Anstrengung.
    »Sag, dass du mich verstanden hast.« Er war dabei, sie zu verlieren. »Sag es, sonst springe ich mit dir.«
    Sie nickte.
    »Ich möchte, dass du es dir bildhaft vorstellst. Du musst es begriffen

Weitere Kostenlose Bücher