Mister Perfekt
kennen gelernt hatten; immerzu hatte er gelacht und Witze gerissen. Wo war sein Frohsinn nur abgeblieben?
Noch dazu sahen sie einander kaum mehr. Sie arbeitete von acht bis siebzehn Uhr, er von fünfzehn bis dreiundzwanzig Uhr.
Wenn er abends nach Hause kam, schlief sie schon. Er stand erst auf, wenn sie schon in die Arbeit gefahren war. Am bezeichnendsten war ihrer Ansicht nach aber, dass er gar nicht in der Spätschicht arbeiten musste . Er hatte sich das so ausgesucht. Wenn er damit beabsichtigt hatte, sie auf Abstand zu halten, war ihm das wunderbar gelungen.
Vielleicht war ihre Ehe schon längst gescheitert, und sie hatte sich dieser Erkenntnis nur noch nicht gestellt. Vielleicht wollte Galan bloß keine Kinder haben, weil er bereits wusste, dass das Schiff ihrer Ehe auf Grund gelaufen war.
Bei dem Gedanken wurde ihr schwer ums Herz, sehr schwer.
Sie liebte ihn. Genauer gesagt liebte sie den Menschen, der, wie sie wusste, in jener verkniffenen Hülle steckte, die sie während der letzten Jahre zu Gesicht bekommen hatte. Wenn sie beim Einschlafen war oder an etwas anderes dachte und er ihr in den Sinn kam, dann sah sie immer das Gesicht eines jüngeren, lachenden Galan vor sich, jenes Jungen, in den sie sich in der High School bis über beide Ohren verliebt hatte. Sie liebte jenen unbeholfenen, grabschenden, eifrigen, liebenden Galan, der sie - und sich selbst - auf der Rückbank des alten Oldsmobiles seines Vaters entjungfert hatte. Sie liebte jenen Mann, der ihr an ihrem ersten Jahrestag eine einzelne rote Rose geschenkt hatte, weil er sich kein ganzes Dutzend leisten konnte.
Jenen Mann, der seit ewigen Zeiten nicht mehr »Ich liebe dich« gesagt hatte, liebte sie nicht.
Verglichen mit ihren Freundinnen, kam sich T.J. unbeholfen vor. Falls irgendein Kerl Marci dumm kam, dann schickte sie ihn zum Teufel und suchte sich einen neuen, um die Lücke in ihrem Herzen oder eher in ihrem Bett zu füllen. Luna regte sich oft über Shamal auf, aber sie blieb nicht tatenlos zu Hause sitzen und wartete auf ihn; sie führte ihr eigenes Leben. Und was Jaine anging - Jaine ruhte auf eine Weise in sich, wie T.J. das nie geschafft hätte. Was das Leben Jaine auch entgegenschleudern mochte, sie reagierte mit Humor und Mumm. Keine der drei hätte sich jenes Elend bieten lassen, das T.J. seit drei Jahren stillschweigend mit Galan ertragen hatte.
Es ärgerte sie, dass sie so schwach war. Was würde schon geschehen, wenn sie und Galan sich trennten? Sie würden das Haus verkaufen, und sie liebte ihr Haus, aber was war schon dabei? Sie konnte auch in eine Wohnung ziehen. Jaine hatte jahrelang in einer gehaust. T.J. konnte auch alleine leben, obwohl sie das noch nie getan hatte. Sie würde lernen, alles selbst in die Hand zu nehmen. Sie würde sich eine Katze zulegen - nein, einen Hund, zum Schutz. Und sie würde mit anderen Männern ausgehen. Wie es wohl wäre, mit einem Mann zusammen zu sein, der sie nicht jedes Mal beleidigte, wenn er den Mund aufmachte?
Als das Telefon klingelte, war ihr klar, dass Galan anrief. Mit ruhiger Hand nahm sie den Hörer auf.
»Hast du den Verstand verloren?«, waren seine ersten Worte.
Er atmete schwer, woraus sie schloss, dass er sich in Rage gesteigert hatte.
»Nein, ich glaube nicht«, antwortete sie gelassen.
»Du hast mich in der ganzen Fabrik lächerlich gemacht -«
»Wenn jemand über dich lacht, dann nur, weil du es zulässt«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich werde mit dir nicht am Telefon darüber sprechen. Falls du dich in normalem Ton mit mir unterhalten willst, nachdem du heimkommst, dann werde ich auf dich warten. Wenn du aber nur zetern und toben willst, dann weiß ich was Besseres, als dir zuzuhören.«
Er legte einfach auf.
Beim Auflegen des Hörers zitterte ihre Hand ganz leicht.
Tränen standen ihr in den Augen. Wenn er glaubte, sie würde ihn um Verzeihung anbetteln, dann hatte er sich gründlich getäuscht. Drei Jahre lang hatte sie sich Galans Maßstäben anzupassen versucht und sich grässlich dabei gefühlt. Vielleicht war es allmählich an der Zeit, dass sie nach ihren eigenen Vorstellungen lebte. Vielleicht würde sie Galan dabei verlieren, aber dafür würde sie wenigstens ihre Selbstachtung behalten.
Eine halbe Stunde später klingelte das Telefon erneut.
T.J. zog die Stirn in Falten, als sie den Hörer abnahm. Sie glaubte nicht, dass Galan noch mal anrufen würde, doch vielleicht hatte er ja über ihre Antwort nachgedacht und eingesehen, dass sie diesmal
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