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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Garten umgab. Mitten in der getrimmten Vegetation tauchte das Gartentor auf. Es war angelehnt. Er schob es auf und trat in den Garten.
    Im linken Augenwinkel nahm er eine vage Bewegung wahr, und bevor der Schmerz kam, hörte er den dumpfen Knall, den er augenblicklich als Schuss aus einer Pistole mit Schalldämpfer identifizierte.
    Er warf seinen enormen Körper der Länge nach auf den Kiesweg und riss die Dienstwaffe aus dem Halfter. Die nächste Kugel pfiff unmittelbar über seinen Kopf hinweg.
    In dem Moment passierte etwas mit Gunnar Nyberg.
    Er erhob sich brüllend, trampelte wie ein Wildgewordener umher und feuerte einen Schuss nach dem anderen auf die Stelle ab, wo er wenige Sekunden zuvor die Bewegung wahrgenommen hatte.
    Gleich darauf hörte er weiter unten an der Straße ein Auto anfahren und näher kommen. Er warf die leer geschossene Pistole weg, stürzte immer noch brüllend wie eine Dampfwalze durch die dichte Hecke und erreichte die Straße in dem Augenblick, als das Auto vorbeifuhr.
    Gunnar Nyberg rammte es wie ein professioneller Hockeyspieler.
    Er warf seinen wutentbrannten Riesenkörper gegen die Fahrerseite des durchstartenden Wagens, wurde hochgeschleudert und landete mit dem Gesicht auf dem Asphalt. Der Schmerz setzte im selben Moment ein, als er das Auto zehn Meter weiter gegen einen Laternenmast fahren sah. Sein Gesichtsfeld schrumpfte drastisch.
    Er sah Arto Söderstedt mit gezogener Waffe auf das Auto zurennen, die Tür aufreißen, den Fahrer herauszerren und quer über die Straße schleppen. Das letzte, was er erkennen konnte, bevor alles in einem Flammenmeer unterging, war Alexander Brjusovs blutüberströmtes Gesicht.
    Zeit zum Sterben, dachte Gunnar Nyberg und löste sich auf.
     

27
     
    Er vermisst die Musik.
    Das ist das einzige, was er denkt.
    Jetzt müssten die sensiblen Finger ihre unsichere Wanderung beginnen.
    Eine Sekunde lang bildet er sich ein, sie zu hören. Er sitzt reglos auf dem Sofa.
    Hier müsste das Saxophon einsetzen.
    Die Leiche führt keinen Todestanz auf, sie liegt mit zwei Löchern im Kopf am Boden. Ein Stück totes Fleisch, sonst nichts.
    Noch eine Leiche im Gepäck.
    Freudlos vollführt er seine mentale Verbeugung.
    Aus der Kunst ist ein Handwerk geworden, aus der Mission Exekution. Geblieben ist die gnadenlos zwingende Liste.
    Ich vermisse die Musik, denkt er, nimmt die Pistole vom Tisch und verlässt das Haus über die Terrasse.
    In der Wand stecken zwei Kugeln aus Kasachstan.
     

28
     
    Es war Nacht. Sie saßen in Hjelms Hotelzimmer im Zentrum von Växjö. Jeder von ihnen hatte ein Foto von Göran Andersson vor sich, drei Bilder, die sie von Lena Lundberg bekommen hatten. Kerstin Holm lag, auf den Ellbogen gestützt, auf dem Bett, vor ihr ein aus dem Sommer 1992 stammendes Gruppenbild von den Angestellten der Bank in Algotsmala. Sie standen vor der Bankfiliale und lächelten einladend. Es war ein Werbefoto. Vorn standen Lisbet Heed und eine junge Frau, bei der es sich um Mia Lindström handelte, in der hinteren Reihe Albert Josephson und Göran Andersson. Göran Andersson trug einen eleganten Anzug und war groß, blauäugig und strohblond. Er lächelte strahlend, seine Hand lag auf Lisbet Heeds Schulter. Der Zahnarzt hatte ganze Arbeit geleistet. Ansonsten war er eher unauffällig. Einer von hundert ähnlich aussehenden Bankbeamten in Schweden.
    »Er hat seine Arbeit immer perfekt gemacht«, hatte Lena Lundberg in ausgeprägtem, breitem Smäländisch gesagt und von ihrer Kaffeetasse aufgeblickt. »Geradezu pedantisch, könnte man sagen. Kein einziger Fehltag, außer nach dem Unfall. Ein echter Gewinn für die Bank.«
    Hinter ihr an der Wand hing ein kleines gerahmtes Stickbild, das mit schnörkeligen Buchstaben verkündete: »Mein Heim ist meine Burg«.
    Lena Lundberg hatte die Hände über ihrem Bauch gefaltet, dessen sanfte Rundung nicht mehr zu übersehen war.
    »Könnte man sagen, dass er für seinen Beruf gelebt hat?« hatte Holm gefragt. »Dass er persönlich engagiert war?«
    »Ja, ich glaube schon. Er hat für die Bank gelebt. Und für mich«, hatte sie leise hinzugefügt. »Und für das Kind hätte er auch gelebt.«
    »Das kann er immer noch«, hatte Kerstin Holm gesagt, ohne von ihren Worten überzeugt zu sein.
    Jorge Chavez saß zu ihren Füßen auf der Bettkante. Er hielt das Foto eines äußerst konzentrierten Göran Andersson mit einem Dartpfeil in der Hand. Andersson setzte zum Wurf an. In seinem Blick lag eine unerhörte, eiskalte

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