Misterioso
Göran Andersson geworden?« fragte Hjelm. »Wohnt er noch hier?«
»Nein«, sagte Lisbet Heed mit besorgtem Blick. »Nein, er hat Hals über Kopf seine Freundin verlassen und ist verschwunden. Ich glaube, nicht mal Lena weiß, wo er abgeblieben ist.«
»Lena?«
»Lena Lundberg. Sie haben in einem kleinen Häuschen am anderen Ende von Algotsmäla gelebt. Jetzt wohnt sie allein dort. Und schwanger ist sie auch noch, die Arme. Göran weiß wahrscheinlich noch nicht einmal, dass er Vater wird.«
»Können Sie sich erinnern, ob Andersson im Frühjahr 1991 einen Unfall hatte?«
»Ja«, sagte Josephson. »Er war damals einige Wochen krankgeschrieben. Irgendwas war mit seinen Zähnen ...«
»Ich glaube, er brauchte eine Brücke oder so was«, ergänzte Lisbet Heed. »Er ist in der Zeit kaum rausgegangen und hat nie richtig erzählt, was eigentlich passiert war. Aber ich habe ihn einmal mit eingegipstem Arm gesehen. Bestimmt hatte er einen Autounfall.«
»Noch was«, sagte Holm. »Hat Göran Andersson seine Bankschlüssel abgegeben?«
»Ich glaube, dazu ist es vor seinem Verschwinden nicht mehr gekommen.« Zum ersten Mal klang Bankdirektor Albert Josephson eine Spur unsicher.
Die drei A-Gruppen-Mitglieder tauschten erneut Blicke. Die Mosaiksteinchen fielen an ihren Platz, die losen Fäden kamen zusammen.
Göran Andersson.
Dem war nicht viel hinzuzufügen.
Hjelm wandte sich an Zorn.
»Gibt es einen Polizeizeichner in Växjö?«
»Es gibt einen Künstler, den wir für solche Zwecke beauftragen«, sagte der immer noch sehr blasse Zorn.
»Sie drei werden uns helfen, eine Zeichnung von dem Kollegen von der Reichskripo anzufertigen, der den Fall damals übernommen hat. Seien Sie sehr gründlich. Aber vorher fahren Sie uns bitte noch zu Lena Lundberg.«
Es war nicht weit bis zum anderen Ende von Algotsmäla. Aber Zeit genug für die drei von der A-Gruppe, um in dem überladenen Polizeiwagen im stillen die Informationen zu einem stimmigen Bild zusammenzubauen.
Der Bankbeamte Göran Andersson aus Algotsmäla wurde im Frühjahr 1991 in einer Kneipe in Växjö brutal zusammengeschlagen – als Folge des grotesken Darlehengebarens der schwedischen Banken in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren, einer Darlehenspolitik, die nicht nur die Bankenkrise und damit die allgemeine schwedische Wirtschaftskrise ausgelöst, sondern auch jede Menge persönlicher Konkurse verursacht hatte. Von einem dieser Konkurse war Anton Rudström betroffen, der beim Anblick eines Bankbeamten Amok lief und ihn aufs gröbste misshandelte. Es war ein Zufall, dass es Göran Andersson traf. Andersson ahnte wohl zu diesem Zeitpunkt bereits, dass das Verhalten der Banken fragwürdig war, denn er gab Rudström recht, nachdem der ihn zusammengeschlagen hatte. Trotzdem arbeitete er weiter in der Bank, möglicherweise aus Loyalität, vielleicht aber auch, weil er schlicht und einfach keine Aussichten auf einen anderen Job hatte. Als er aufgrund ebenjener unsauberen Bankgeschäfte auch noch seine Arbeit verlor, brannte ihm eine Sicherung durch. Obgleich gekündigt, begab er sich am nächsten Morgen wie gewohnt kurz vor der Öffnungszeit in die Bankfiliale. Mit Hilfe des nicht abgegebenen Schlüsselbundes verschaffte er sich Zutritt durch den Personaleingang, um die Bank auszurauben. Das sollte seine Rache werden. Aus noch unbekannten Gründen schloss er die Eingangstür zur gewohnten Zeit auf, obgleich die Öffnungszeiten verschoben waren und obgleich er entlassen war und vorhatte, die Bank auszurauben. Aus alter Gewohnheit vielleicht. Vielleicht auch abgelenkt von dem Dartspiel, das er aus ebenso alter Gewohnheit spielte. Fünf-. hunderteins. Und dann wurde er, mitten in seinem Raub, selbst beraubt. Ein brutaler russischer Mafiatyp namens Valerij Trepljov platzte mitten in den geplanten Raub und das Dartspiel. Eine groteske Situation. Für Göran Andersson geriet die Welt aus den Fugen. Auf der anderen Seite des Tresens stand ein Mann von der gleichen hünenhaften Statur wie jener Kerl, der ihn einige Jahre zuvor verprügelt hatte. Vielleicht hatte er den Dartpfeil schon in der Hand. Jedenfalls warf er ihn mit unfehlbarer Präzision genau in Valerij Trepljovs Auge. Jetzt hatte er einen Menschen umgebracht, wenn auch in Notwehr. Und er befand sich mit der Leiche in der ehemaligen Bankfiliale, die er eigentlich hatte ausrauben wollen. Er schleppte die Leiche in den Tresorraum und schloss ab. Möglicherweise in totaler Verwirrung nahm er
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