Misterioso
hinter ihm her.
»Das Taxi ist zu früh«, sagte Hultin in sein Funksprechgerät. »Jetzt wendet es und fährt los. Schwarzer Mercedes, CDP 443.«
»Schwarzer Mercedes, CDP 443«, wiederholte Chavez.
Hultin ließ das Funksprechgerät los, so dass es wieder an dem Lederriemen vor seiner Brust hing, und wandte sich an Frau Franzen.
»Ab jetzt ist es riskant, sich hier unten im Erdgeschoss aufzuhalten. Ich hoffe, Sie haben in den oberen Etagen alles, was Sie brauchen, und möchte Sie bitten, nur nach unten zu kommen, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt.«
Birgitta Franzen musterte ihn, nickte kurz und lief schwungvoll die Treppe hinauf.
Als sie außer Sichtweite war, sagte Hultin: »So leid es mir tut, meine Herren, aber Franzen hat recht. Ihr werdet die beiden ablösen, wenn sie reinkommen.«
Nyberg nieste, seufzte resigniert und klopfte vorsichtig an die Scheibe, gegen die der Wind peitschte. Dann ging er in die Küche, um von dort aus den hinteren Teil des Gartens zu kontrollieren. Trotz des Unwetters hatte er vermutlich einen schönen Blick auf die Abendstimmung über dem Mälaren.
Hjelm begann seine Runde in Franzens Arbeitszimmer, überprüfte die Fenster und kontrollierte danach die zwei kleineren Räume in derselben Hälfte des Erdgeschosses. Er bemerkte nichts Auffälliges.
Hultin hatte sich ins Wohnzimmer zurückgezogen und saß auf dem Ledersofa, von wo aus er Söderstedt und Hjelm freudig über die bevorstehende Wachablösung informierte.
Diese elende Warterei, dachte Hjelm, als er an Franzens Schreibtisch stand und abwesend in einem Gesetzbuch blätterte. Das Arbeitszimmer machte den Eindruck, als werde es regelmäßig genutzt. Der Mann weigerte sich wahrscheinlich, mit dem Arbeiten aufzuhören. Vielleicht gab es für ihn außer seiner Arbeit nur ein riesiges schwarzes Loch. Vielleicht wollte er auch aus genau diesem Grund unbedingt den Mimerorden erneuern. Zerstreut blätterte Hjelm in einer Verordnung über zugelassene und nicht zugelassene Gerätschaften beim Beerenpflücken, bis es zu dunkel wurde. Er machte einen Abstecher zu Nyberg in die Küche und ertappte den Kollegen, wie er gerade ein Glas Weißwein zum Mund führte.
»Im Kühlschrank steht eine offene Flasche«, sagte Nyberg und prostete ihm zu. »Die Dame des Hauses hat doch gesagt, dass wir uns wie daheim fühlen sollen.«
»Kompensation für die ausgefallene Generalprobe?« stichelte Hjelm, öffnete den Kühlschrank und warf einen Blick auf das Etikett, ein Moselwein, 1974. Das sagte ihm gar nichts.
»Und nun müssen wir auch noch raus in die Kälte. Ich merk jetzt schon, wie meine Stimmbänder zusammenschrumpeln«, brummte Nyberg.
»Ach ja, wir haben’s nicht leicht.«
»Das kann man wohl laut sagen.«
Ein Dialog im Zeichen des Wartens. Unsägliche Banalitäten, die normalerweise keiner von ihnen von sich gegeben hätte. Der Versuch, ein Gespräch zu führen, während man mit den Gedanken ganz woanders war und ständig darauf gefasst sein musste, dass plötzlich alles ganz schnell ging. Jeden Augenblick konnte etwas Lebensentscheidendes eintreten. Man musste entspannt sein und zugleich hochkonzentriert. Ein sonderbarer, zwiespältiger, zehrender Zustand.
»Bist du eigentlich verheiratet?« fragte Hjelm und biss in eine Banane, während er die anderen Kühlschrankfächer inspizierte.
»Entschieden geschieden«, sagte Nyberg. »Und du?«
»Als ich meine Frau das letzte Mal gesehen habe, waren wir jedenfalls noch verheiratet.«
Die Sonne glomm noch einmal kurz auf, bevor sie endgültig hinter der aufgerauten Oberfläche des Mälaren versank. Die Wolkenschichten schoben sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten übereinander. Das launische Spiel des Aprilsturms.
Nyberg steckte sich eine Zigarette an und hielt Hjelm die Schachtel hin. Gemeinsam bliesen sie Rauch in die zunehmende Dunkelheit.
»Eigentlich rauche ich gar nicht«, sagte Nyberg.
»Ich auch nicht«, sagte Hjelm und setzte im Schein seiner kleinen Stablampe einen Kaffee auf. Glücklicherweise hatte er neben dem einschüchternden Espressodampfschiff eine ganz gewöhnliche Kaffeemaschine entdeckt.
»So ein Mordstrumm für so kleine Tassen«, murmelte er vor sich hin.
Nyberg reagierte nicht.
Da krächzte es in ihren Funksprechgeräten. Kerstin Holm flüsterte: »Einzelner Mann geht vorbei. Zehn Meter bis zum Gartentor.«
Hjelm stellte die mit Wasser gefüllte Kanne ab und ging in den Flur. Er machte einen Lungenzug und spürte einen leichten Nikotinkick.
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