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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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aus«, brummte Hjelm und wandte sich wieder dem Telefongespräch zu.
    »Beantworten Sie einfach meine Frage.«
    »Caddies?« tönte es aus dem Hörer. »Manchmal.«
    »Manchmal?«
    »Es ist eher ungewöhnlich, dass bei einer einfachen Freizeitrunde ein Caddie in Anspruch genommen wird. Aber es kommt vor.«
    »Wie kommt man an einen Caddie?«
    »Im Normalfall stellen wir die Caddies. Man muss sich vorher anmelden.«
    »Wenn drei Männer zusammen eine Runde Golf spielen wollen, besorgen Sie ihnen also einen Caddie? Ist das korrekt?«
    »Wie gesagt: wenn sie es vorher anmelden. Wir brauchen ein paar Stunden, um das zu regeln. In dem Fall ständen ihnen dann allerdings nicht einer, sondern drei zur Verfügung. Für jeden einer. Ein Caddie schleppt selbstredend nicht die Schläger von drei Spielern.«
    Hjelm kam ein abwegiger Gedanke.
    »Ist Lena auch Caddie?«
    »Lena Hansson? Das war sie mal. Jetzt arbeitet sie an der Rezeption.«
    »Hat sie im September 1990 als Caddie gearbeitet?«
    Axel Widstrand, Sekretär des Stockholmer Golfklubs, sagte eine Weile lang nichts. Dann hörte Hjelm ein Murmeln, Widstrand schien die Sprechmuschel mit der Hand abzudecken und mit jemand anderem zu reden.
    »Ja, das hat sie. Sie hat erst in der letzten Saison damit aufgehört.«
    »Wenn sie zufällig gerade auf Ihrem Schoß sitzen sollte, fragen Sie sie doch bitte, ob sie am Nachmittag des siebten September 1990 als Caddie mit Kuno Daggfeldt, Bernhard Strand-Julén und Nils-Emil Carlberger eine Runde auf den Golfplatz gegangen ist.«
    »Werden Sie nicht unverschämt!«
    »Fragen Sie sie!«
    Erneut gedämpftes Gemurmel.
    »Nein«, sagte Widstrand.
    »Daran erinnert sie sich so auf Anhieb?«
    »Sonst noch was?«
    »Kann man den Gästebüchern entnehmen, ob jemand einen Caddie geordert hat oder nicht?«
    »Nein. Die Spieler tragen sich mit ihrem Namen ein, mehr nicht. War’s das?«
    »Im Moment, ja«, sagte Hjelm, legte den Hörer auf und schrieb den Namen Lena Hansson in sein Notizbuch.
    Für späteren Gebrauch.
    Die These vom einsamen, belästigten Caddie hatte sich genauso schnell in Rauch aufgelöst, wie sie entstanden war. Bei einer einfachen Golfrunde waren Caddies eher unüblich, und falls die Herren trotzdem Wert darauf gelegt hatten, wären es drei gewesen, nicht einer. Dennoch unterstrich er Lena Hanssons Namen. Wenn die Morde aufgeklärt waren, würde er noch einmal auf sie zurückkommen.
    »Hör dir das an«, sagte Chavez, der in die Abendzeitung vertieft war, die eigentlich eine Mittagsausgabe war. »›Dass es sich um die erste waschechte Terroraktion seit langem in Schweden handelt, dürfte wohl außer Zweifel stehen. Nicht einmal in den Tagen der Rote-Armee-Fraktion haben wir erlebt, dass hochrangige schwedische Geschäftsleute wie am Fließband hingerichtet wurden. Es sieht aus, als stünden wir vor dem grausamsten Verbrechen, das jemals in Schweden stattgefunden hat. Das einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass die Polizei untätig zusieht.‹ Damit sagen sie doch quasi«, sagte Chavez und legte die Zeitung weg, »dass es, nur weil sie nichts erfahren, keine Informationen gibt.«
    »Sie haben vergessen, die westdeutsche Botschaft zu erwähnen«, sagte Hjelm.
    Jorge Chavez hielt Hjelms Blick fest.
    »Paul. Wenn du weiter darauf bestehst, an deinen altmodischen Intrigen herumzubasteln und deine altmodische Detektivarbeit zu machen, wenn du dich weiter weigerst zu akzeptieren, dass wir es hier mit Geldschiebereien im globalen Computernetz und internationalen Profikillern zu tun haben, die vermutlich über dasselbe Netzwerk requiriert wurden, dann musst du mehr über die Menschen herausbekommen und keine Klischees bemühen. Es geht trotz allem um Individuen.«
    »Ein anrührendes Plädoyer. Und wie lautet der Vorschlag, der sich hinter der Sorge um die verlorene Ehre der Herren verbirgt?«
    »Du weißt zuwenig über sie. Geh zu Kerstin. Leih dir ihre Bänder aus. Lern sie kennen.«
    Chavez wandte sich wieder seinem Bildschirm zu. Hjelm beobachtete ihn noch eine Weile. Er sah den neuen Polizisten, und zum ersten Mal spürte er deutlich die Kluft zwischen sich und ihm, die sicher nichts mit ihrem Hintergrund zu tun hatte, sondern schlicht und einfach eine Kluft zwischen den Generationen war. Chavez: computerisiert, international, rational, vorurteilsfrei, distanziert, enthusiastisch. Wenn es das war, wenn er gerade einen Blick in die Zukunft der Polizei erhascht hatte, dann waren das keine schlechten Aussichten.

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