Misterioso
Mutter fielen. Andreas mehr als ich und ich etwas mehr als unsere Mutter. Sie war ein wenig zu grau und unansehnlich, um wirklich zu glänzen, sosehr er auch an ihr herumpolierte. Was ihn angeht, kann ich mich beim besten Willen an keine versöhnlichen oder individuellen Züge erinnern, tut mir leid.«
»Mir tut es leid. Hatte er denn gar keine besonderen Interessen, die ein anderes Bild von ihm geben könnten?«
»Glauben Sie mir, ich habe lange danach gesucht. Mit zehn, elf Jahren, im Jahr vor der Scheidung, als zu Hause das reinste Inferno herrschte, habe ich ihn mal gefragt, was eigentlich in seiner Fabrik hergestellt würde. Er hat gelacht und geantwortet: ›Geld.‹ Ich hatte wahrscheinlich gehofft, dass sich hinter der Geldanhäufung irgend etwas Lächerliches und damit Versöhnliches verbarg: Kondome oder Teddybären oder Rückenkratzer oder Nasenbohrer oder weiß der Teufel was. Aber es war natürlich von vorn bis hinten ein Geldkonzern. Und Geld ist nun mal nicht besonders komisch.«
Hjelm hatte genug gehört und spulte ein Stück vor.
Eine raue Frauenstimme sagte: »Aber Kuno war ein absoluter Familienmensch.«
Er spulte wieder ein Stück zurück, an den Anfang des Gespräches.
»Allô«, sagte eine träge Männerstimme.
»Madame Hummelstrand, s’il vous plaît«, sagte Kerstin Holm.
Es knisterte in der Leitung, und aus dem Hintergrund war undeutlich eine aufgebrachte Frauenstimme zu hören: » Touche pas le téléphone! Jamais plus! Touche seulement moi-mê-me!«
Schließlich kam sie selbst an den Apparat.
»Allô!«
»Spreche ich mit Anna-Clara Hummelstrand, Ehefrau von George Hummelstrand, Geschäftsführer von Nimco Finans?«
»Wer ist da?«
»Kerstin Holm von der Reichskripo in Stockholm. Es geht um die Morde an Kuno Daggfeldt und Bernhard Strand-Julén.«
»Aha. Une agentinne, n’est-ce-pas?«
»C est peut-être le mot juste, madame«, entgegnete Holm kühl. »Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass unser Gespräch aufgezeichnet wird. Ich beginne: Telefongespräch mit Anna-Clara Hummelstrand in Nizza am 2. April um 17 Uhr 02.«
»Huiiii«, sagte Anna-Clara Hummelstrand. Jetzt war deutlich zu hören, dass sie betrunken war. »On dit peut-être agentesse ...«
»Ich melde mich vielleicht besser nach Lützen wieder bei Ihnen«, sagte Holm.
»Nach was?«
»Wenn der Nebel sich verzogen hat.«
»Ha, eine humorvolle Agentin«, alberte Anna-Clara Hummelstrand. »Schießen Sie los, meine Freundin!«
»Also gut, versuchen wir es. Ist es korrekt, dass Sie ein ziemlich enges, freundschaftliches Verhältnis sowohl zu Ninni Daggfeldt als auch zu Lilian Strand-Julén unterhalten?«
»Was heißt eng? Wir tauschen detaillierte Informationen über die Besuche bei unseren Frauenärzten aus. Eine solche Art von Frauenfreundschaft wird ja wohl gemeinhin als eng bezeichnet. Tout à fait.«
»Kennen die beiden sich?«
»Ninni und Lilian? Nicht direkt, ich versuche, meine Freundinnen soweit wie möglich auseinander zuhalten, à ma honte. So können sie sich wenigstens nicht gegen einen verbünden. Aber natürlich kennen sie sich einander vom Hörensagen.«
»Und die Gatten?«
»Ach ja, die beiden Süßen hatten es wahrlich nicht leicht, das muss man sagen. Sie hatten ihre kleinen Buhmänner nicht so im Griff wie ich meinen. Lilians Dilemma war allgemein bekannt: St. Bernhard und seine Welpen. Sollte sie ihn sich vom Hals geschafft haben, hätte sie mein vollstes Verständnis. Ausgezogen war sie schon, mit seiner absoluten Billigung, aber Scheidung kam, wie sie zu sagen pflegte, nicht in Frage. Es weiß schließlich jeder, wie es der armen Johanna ergangen ist. Außerdem kam dieses Arrangement St. Bernhard sehr entgegen. Kuno dagegen war ein absoluter Familienmensch. Keine Eskapaden, soviel ich weiß, und was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, ma petite. Dafür arbeitete er rücksichtslos viel. Mehr als Bernhard. Da bin ich ganz sicher. Und nie zu Hause.«
»Trotzdem hatte er noch Zeit, Golf zu spielen und Mitglied einer Ordensgesellschaft zu sein.«
»Ach ja, das mit dem Hugin- oder Muminorden, oder wie immer er heißt, ist doch niedlich, oder? George ist auch dabei. Er hat von den entzückenden Ritualen erzählt, wenn sie sich verkleiden, mit Göttermasken und seltsamen Umhängen, und wilde Zechorgien abhalten. Ist lange her, dass er mit mir eine wilde Zechorgie veranstaltet hat, das muss ich schon sagen. Ich muss selbst für mein Vergnügen sorgen. Pas vrai, Philippe? Er nickt. Aber
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