Misterioso
fallende schwarze Hose ein bisschen nach unten gezogen. Ihre Hand bewegte sich ruhig und methodisch hinter dem Slipbündchen auf und ab. Ihre braunen Augen waren verschleiert, als sie sie aufschlug und den Kopf mit einem unterdrückten kehligen Laut in den Nacken warf. Ich bin ein echter Kindskopf, dachte er und ließ die leichte Erektion abklingen, während er der hellen, trotzigen Teenagerstimme zuhörte.
»Was glauben Sie wohl, wie das war? Mini, midi, maxi. Maxigeil. Klar, es gab noch beklopptere Namen, ich hatte einen Engel in der Klasse, Engel Jakobsson-Flodh, eingefleischte Programmiererin, die eine Luxuswohngemeinschaft in Danderyd gründete, um sich einen Traum zu erfüllen – neben ihrer Computerfirma. Aber wer wird schon nach einem Boot benannt! Man gibt Booten Frauennamen, aber Frauen doch keine Bootsnamen, zum Kuckuck!«
»Haben Sie Ihren Vater dafür gehasst, dass er Ihnen diesen Namen gegeben hat?«
»Während der Pubertät auf alle Fälle. Inzwischen finde ich den Namen ziemlich cool.«
»Haben Sie das Boot gehasst?«
»Nein, gegen das Boot hab ich nie was gehabt. Die Ausflüge waren die einzigen Gelegenheiten, zu denen er sich wirklich Zeit genommen hat. Er hat alles getan, damit wir uns wohlfühlten. Okay, Mama hat die ganze Zeit gekotzt, was ziemlich nervig sein konnte, aber dann haben Marre und ich uns einfach verkrümelt und Ich sehe was, was du nicht siehst gespielt.«
»Hat er Ihre Mutter geschlagen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Das wissen Sie nicht?«
»Nein. Er war furchtbar enttäuscht, wenn er sah, dass all seine Bemühungen bei ihr nicht fruchteten. Die beiden brüllten sich an, und wir haben uns verzogen, in irgendeine Ecke, auf die Insel, vor der wir lagen, unter eine Decke, und haben Ich sehe was, was du nicht siehst gespielt.«
»Was für Gefühle löst der Tod Ihres Vaters bei Ihnen aus?«
»Ich hab ziemlich viel geweint...«
Hjelm spulte vor und dachte darüber nach, wie nahezu unmöglich es war, einen Einblick in das Leben anderer Menschen zu bekommen. Was war es, das das Leben eines Menschen lenkte und für die vielfältigen Verbindungen zwischen Menschen sorgte?
In seiner frühen Jugend hatte er mit einer Frau aus einer Hippie-WG geschlafen, die Ylva Jakobsson-Flodh hieß. In seiner Verwirrung kam ihm der Gedanke, dass Engel seine Tochter sein könnte.
Jedes Ereignis zog seine Kreise wie Ringe auf dem Wasser.
Er legte das nächste Band ein.
Und das nächste. Hörte sich eins nach dem anderen an und staunte über Kerstin Holms Fleiß. Die Stimmen von Sekretärinnen, Angehörigen, Angestellten, Freunden plätscherten in einem nicht enden wollenden Strom vorbei.
Irgendwann sprach ein Mann mit leichtem Göteborg-Akzent.
»Sie sind aus Göteborg, oder? Da kennen Sie doch sicher Landvetter?«
»Einigermaßen«, sagte Kerstin Holm kurz angebunden. »Wie kommt es, dass Willy seinen Nachnamen geändert hat und Sie nicht?«
»Na ja, ich hab nichts gegen den Namen Carlberger. Er hat einen gewissen ... Klang. Die Scheidung hat William härter getroffen als mich, er war erst zwölf, ich immerhin schon fünfzehn. Wir sind bei unserer Mutter geblieben und bekamen nach der Scheidung eine radikal andere Erziehung, als uns bis dahin zuteil geworden war. Vom Nobelviertel in den Vorortslum, sozusagen. Glücklicherweise war ich so gut wie fertig mit der Schule. William hatte da mehr auszustehen. Außerdem hat er es irgendwie fertiggebracht, seine persönlichen Probleme zu einem grundsätzlich ideologischen Konflikt zu machen. Projektion nennt man das wohl, eine Art Überlebensstrategie.«
»Wie haben Sie reagiert, als Sie vom Tod Ihres Vaters erfuhren?«
»Ich weiß nicht genau. Mit Sprachlosigkeit. Nicht jeder hat einen Vater, der von der russischen Mafia ins Jenseits befördert wurde.«
»Wie kommen Sie auf die russische Mafia?«
»Das stand im GT. Ich hab auf dem Flug hierher die Abendzeitungen gelesen. Im Aftonbladet stand was von Rote-Armee-Fraktion. Expressen geht von der sizilianischen Mafia aus. Wem darf man glauben?«
Hjelm hielt das Band an und sah dem konzentriert auf die Tastatur hämmernden Chavez eine Weile bei der Arbeit zu. Es dämmerte.
Er entschied, dass das nächste Band das definitiv letzte sein würde.
Kerstin Holms Stimme: »Gespräch mit Rickard Franzén, 12 Uhr 16, am 3. April.«
»Sorgen Sie dafür, dass gut zu hören ist, was ich sage«, forderte der pensionierte Richter Rickard Franzén in barschem Ton, »damit mein Standpunkt absolut klar ist.
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