Misterioso
Es ging auf den Abend zu.
Er war maßlos wütend.
Die Dinge würden ein völlig neues Tempo kriegen.
Er hielt seine Wut am Kochen, indem er an Arto Söderstedt dachte, diesen finnischen Mistkerl, der aus der Pampa kam und alles verachtete, woran er jemals geglaubt hatte.
Er schürte seine Wut, indem er an seinen Namen dachte, Viggo. Was für ein Scheißname, Viggo, der verdammte Wikinger. Das einzige Erbe jenes reiselustigen dänischen Seemanns, der aus unerfindlichen Gründen sein Vater war. Eine schnelle Ejakulation in den Schoß einer ausgehungerten Frau, und weg war er gewesen. Keine Verantwortung. Nicht den Funken Verantwortung. Keinen Deut besser als Söderstedt. Genauso.
Seine Gedanken waren etwas in Unordnung.
Irgendwann in seiner Jugend hatte er nach dem Ursprung seines abartigen Namens gesucht. Der stammte aus dem 13. Jahrhundert, als der große dänische Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus das dänische Wort für Kampf, vig, latinisiert und einen von König Rolf Krakes Mannen danach benannt hatte.
Viggo, Jan-Olovs Handlanger, dachte Norlander verwirrt, als die Tür aufging und ein Mann mit Pferdeschwanz und Trainingsanzug hereinkam und sich nur wenige Meter von ihm entfernt an den Schreibtisch setzte. Norlander wartete ein paar Sekunden, um sicherzugehen, dass er allein war.
Dann stürzte er aus seinem Versteck und knallte den Kopf des Mannes auf die Schreibtischplatte.
Ein-, zwei-, drei-, viermal.
Danach riss er ihn am Pferdeschwanz hoch, bohrte ihm den Lauf seiner Dienstpistole ins Ohr und fauchte: »So, Strömstedt. Drei Sekunden für deine Kontakte zur russischen Mafia. Ansonsten bist du ein toter Mann. Eins. Zwei...«
»Warte, warte, warte!« schrie der Mann. »Wer zum Teufel bist du?«
»Drei«, sagte Norlander und zog ab.
Es klickte.
»Das nächste Mal ist sie geladen«, sagte Norlander. »Und jetzt ein bisschen plötzlich!«
Der Mann war wie Butter in seinen Händen. Bis in die Tiefen seiner schwarzen Seele erschüttert, dachte Norlander in seinem Adrenalinwahn.
»Vor ein paar Monaten hat der Zoll eine Ladung sechzigprozentigen Estonia-Wodka aus Liviko beschlagnahmt, der an dich adressiert war. Wer hat dir den Wodka geliefert?«
»Ich bin nur Zwischenhändler«, presste Strömstedt zitternd hervor. »Scheiße, ich hab doch alles erzählt! Ich weiß nichts!«
»Für dich steht einiges auf dem Spiel. Solltest du eine Anzeige wegen polizeilicher Gewaltausübung zusammenbasteln, wird sie im Reißwolf landen. Hast du verstanden? Oberste Priorität. Es geht um die Sicherheit des Landes. Spuck aus, was du weißt. Jetzt. Die Kugel wartet im Lauf.«
»Sag mal, für wen hältst du dich eigentlich? Dirty Harry?«
Norlander nutzte die Gelegenheit, Strömstedts Computerbildschirm zu zerschießen.
»Scheiße!« brüllte der und wand sich. Norlander seinerseits wickelte den Pferdeschwanz einmal mehr um sein Handgelenk, bis er fast die Haarwurzeln nachgeben fühlte.
Strömstedt brüllte wie ein Wahnsinniger. »Igor und Igor!« schrie er. »Das ist alles, was ich weiß! Sie liefern die Sachen persönlich!«
»Deine Mafia-Kontakte heißen also Igor und Igor? Korrekt?«
»Ja doch, ja! Verdammt, das ist alles, was ich weiß!«
»Ich hab meine Hausaufgaben gemacht«, sagte Norlander. »Du sprichst Russisch. Du weißt also, worüber Igor und Igor sich unterhalten haben. Ich brauch mehr Informationen!«
Er senkte die Pistole und zielte auf die Hand des Mannes, die auf der Schreibtischplatte lag.
»Ein wenig mehr, bitte«, sagte er und drückte ab.
Die Kugel schlug zwischen Mittel- und Ringfinger ins Holz ein und hinterließ in der Haut eine Schramme. Strömstedts Schreie wurden panischer.
»Die Gotländer!« brüllte er.
»Weiter«, sagte Norlander und richtete die Pistole auf das Handgelenk des Mannes.
»Die gotländischen Kanakenschmuggler! Die gehören anscheinend auch zu der Bande! Mehr weiß ich nicht, ich schwöre es! Sie haben sich über Gotland unterhalten und wie ungeschickt sich die Kerle da unten angestellt hätten!«
Viggo Norlander zog den Mann an seinem Pferdeschwanz hoch, legte ihm hinter dem Rücken Handschellen an, verfrachtete ihn in den Schrank, hinter dem er so lange gewartet hatte, und schloss ihn ein. Hinter der Tür hagelte es wilde Flüche.
Für Norlander klang es wie Finnlandschwedisch.
Eine Sperre, dachte Norlander, als er mit Vollgas vom Freihafengelände bretterte und übers Handy eine Nachricht von Hultin erhielt, dass er umgehend zum Flughafen nach Arlanda
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