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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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rausfahren solle.
    Eine Sperre hatte sich gelöst. Jetzt, verdammt, würde er gefährlich werden.
    Viggo Norlander war achtundvierzig Jahre alt, geschieden und kinderlos. Der kahle Fleck auf seinem Schädel hatte vor langer Zeit seine endgültige Form erreicht; nicht so sein Bauch, der langsam, aber sicher an Umfang zunahm. Norlander war nicht fett, aber zu dick.
    Sein Sündenregister war absolut leer. Er war Zeit seines Berufslebens ein beispielhafter, wenn auch nicht unbedingt hyperaktiver Polizist gewesen, dessen einzige Leitfäden sein Polizeihandbuch und das Gesetzbuch waren. Er hatte immer an die legitimen Methoden geglaubt und an die langsam mahlenden Mühlen der Gerechtigkeit.
    Irgendwann vor langer Zeit hatte sein Leben stagniert und, wie seine Glatze, seine endgültige Form angenommen. Es war ein sehr bewusstes Stagnieren gewesen. Das Regelmäßige lag in seinem Wesen, das Korrekte, das Legitime, das, was es schwarz auf weiß gab. Er hatte immer geglaubt, dass die Menschen im allgemeinen so waren wie er, fleißig arbeiteten, nicht mit den Krankmeldungen mogelten, ohne zu murren ihre Steuern zahlten, dem universellen Regelkanon folgten und sich durchschnittlich fühlten, ohne besondere Höhen und Tiefen.
    Alle, für die das nicht zutraf, waren Verbrecher und mussten aus dem Verkehr gezogen werden.
    In seiner Welt wussten alle gesetzestreuen Mitbürger intuitiv, was ein Verbrechen war, und selbstverständlich erkannten sie seine Anstrengungen an, die Straßen davon freizuhalten.
    Egal, womit die tägliche Arbeit bei der Stockholmer Kripo ihn konfrontierte, es gelang ihm, den klaren Richtlinien in seinem Leben zu folgen. Er war immer recht zufrieden gewesen mit sich als Einzelnem und der Polizei als Ganzem. Die Dinge bewegten sich trotz gelegentlicher Hochs und Tiefs in die richtige Richtung, mit dem richtigen Tempo, also gemächlich: Zuwachs, Fortschritt, Entwicklung. Eine stabile gesellschaftliche Kurssteigerung.
    Er war ein ruhiger Mensch.
    Er hätte nicht sagen können, an welcher Stelle an diesem Tag der erste Riss sichtbar geworden war, und genauso wenig, wo die Mauer schließlich einstürzte.
    Nicht einmal unter Folter hätte er eingestanden, dass es einen Riss gab, aus dem einfachen Grund, weil dieser in seiner Vorstellungswelt nicht existierte.
    Aber sehr wohl in seinem gegenwärtigen Handeln. Als er im Morgennebel an der Stadtmauer entlang durch Visby lief, hatte er seinen Glauben noch. Einen Rest von Vertrauen aus vergangenen Tagen. Was er getan hatte und noch tun würde, war notwendig. Nicht noch mehr unaufgeklärte Palme-Morde. Rechtssicherheit, dachte er. Vertrauen. Soziale Verantwortung. Daggfeldt, Strand-Julén, Carlberger. Das musste ein Ende haben. Dafür würde er sorgen.
    Er wollte das Wichtigste schützen, das es gab.
    Auch wenn er nicht genau wusste, was das war.
    Nach einem langen Marsch durchs fast menschenleere Visby, über dem ein beinahe mediterraner Morgensonnenschleier lag, erreichte er das Polizeipräsidium. Es war halb acht Uhr morgens am siebten April.
    Er betrat das Gebäude und wurde zum Untersuchungsgefängnis weitergeschickt, wo ihn ein Wachhabender in seinem Alter empfing. Sie erkannten einer im anderen auf den ersten Blick den Polizisten. So sah er aus. Der Polizist mit großem P.
    »Norlander«, stellte er sich vor.
    »Jönsson«, antwortete Jönsson in einer ganz eigenen Mischung aus Schonisch und Gotländisch. »Vilhelm Jönsson. Wir haben Sie bereits erwartet. Pesjkov steht Ihnen jederzeit zur Verfügung.«
    »Ich gehe davon aus, dass Ihnen die Bedeutung der Ermittlungen klar ist. Im Augenblick gibt es nichts Wichtigeres in unserem Land.«
    »Ich habe verstanden.«
    »Wie sieht es aus? Spricht er Englisch?«
    »Glücklicherweise. Ehemaliger Seemann, der auf den Weltmeeren unterwegs war. Ich bin davon ausgegangen, dass die Anwesenheit eines Dolmetschers in diesem Fall nicht erwünscht ist. Ich hoffe, ich habe Ihre Andeutungen richtig interpretiert.«
    »Ich sehe, wir haben uns verstanden. Wo ist er?«
    »In einem schalldichten Raum, wie vereinbart. Gehen wir?«
    Norlander nickte, und Vilhelm Jönsson führte ihn durch ein paar Flure, holte unterwegs zwei Wachleute aus dem Aufenthaltsraum ab und ging weiter in den Keller. Sie blieben vor einer graugestrichenen Eisentür mit Guckloch stehen. Jönsson räusperte sich.
    »Wie Sie deutlich gemacht haben, können wir aus Geheimhaltungsgründen nicht an der Vernehmung teilnehmen, aber wir stehen hier draußen. Hier ist ein

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