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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Hjelm konnte ihm nicht helfen; der schlief. Statt dessen antwortete Grundström aus dem Hintergrund.
    »Er liegt in der Chirurgie von Huddinge und wird rund um die Uhr bewacht. Sein Zustand ist stabil. Was man von der Situation hier nicht behaupten kann. Morgen um halb elf machen wir weiter. Danke, das war’s für heute, Hjelm.«
    Stühlescharren, Papiere wurden zusammengeschoben, ein Aufnahmegerät abgeschaltet. Eine Aktentasche wurde zugeklappt und eine Tür geschlossen. Kommissar Erik Bruun zündete sich eine pechschwarze, unregelmäßig gerollte Zigarre an und hörte konzentriert zu. Jetzt kam, worauf er die ganze Zeit gewartet hatte.
    Grundström sagte: »Er ist ungeheuer gerissen. Warum hast du ihn so glimpflich davonkommen lassen? Transsilvanischer Graf. Himmel, Sakrament, Uffe! Wir können den Kerl doch nicht einfach laufen lassen. Ein Dirty Harry, der sich mit heiler Haut durch das System rettet, ebnet Hunderten rassistischer Trittbrettfahrer im ganzen Land den Weg.«
    Der Rest war nicht mehr zu verstehen. Märtensson murmelte irgend etwas, Grundström seufzte, Stühle klapperten, eine Tür wurde geöffnet und gleich darauf wieder geschlossen. Bruun hielt das Band an und saß eine Weile schweigend da.
    Draußen hüllte sich der klare Frühlingstag in eisige Dunkelheit. Bruun kämpfte sich langsam aus seinem Stuhl und ging hinüber zu dem fest schlafenden Hjelm. Ehe er einen Lungenzug machte und Hjelm den Rauch ins Gesicht blies, betrachtete er ihn kurz und schüttelte sanft den Kopf.
    Ich werde ihn nicht mehr lange halten können, dachte er, während er den Rauch ausstieß. Früher oder später werde ich ihn verlieren.
    Hjelm hustete sich wach. Seine Augen tränten, und das erste, was er durch dichte Nebelschwaden wahrnahm, war ein rotgrauer Bart auf einem Doppelkinn.
    »Halb elf«, sagte Bruun und schloss seine alte, brüchige Aktentasche. »Schlaf dich aus. Und sei so knapp und bündig wie möglich. Vielleicht ein bisschen mehr als heute.«
    Hjelm wankte zur Tür. Dann drehte er sich um. Bruun nickte ihm freundschaftlich zu. Das war seine Art, jemanden zu umarmen.
    Wie heißt es doch gleich? dachte Hjelm, als er den Kühlschrank aufmachte und ein Bier herausnahm. Heterosexuelle,
    berufstätige Männer mittleren Alters mit weißer Haut sind die Norm der Gesellschaft. Auf dieser Norm basieren alle Durchschnittswerte. Ein anderer Satz tauchte von irgendwoher auf: Frau zu sein ist keine Krankheit, nur eine Abweichung. Ganz zu schweigen von Homosexualität und Jugend und Alter und schwarzer Haut und gebrochener Sprache. Genauso sah seine Welt aus: innerhalb der Grenzen all die heterosexuellen weißen Polizisten mittleren Alters, außerhalb alle anderen. Er betrachtete die Abweichler auf dem Sofa: seine – wie alt war sie jetzt? – sechsunddreißigjährige Ehefrau Cecilia und seine zwölfjährige Tochter Tova. Der andere Schlawiner hielt sich woanders auf, wie deutlich zu hören war.
    »Jetzt, Papa!« rief Tova. »Jetzt kommt es!«
    Bier zwischen den Zähnen hindurchziehend ging er ins Wohnzimmer. Cilla registrierte die jahrzehnte alte Unsitte ihres Mannes mit einem gewissen Widerwillen, konzentrierte sich aber schnell wieder aufs Fernsehen. Die Erkennungsmelodie der Nachrichtensendung ertönte. Es tauchte in den Schlagzeilen auf. Verhältnismäßigkeit, dachte er, Verhältnismäßigkeit.
    »Heute morgen spielte sich im südlichen Teil Stockholms, in der Ausländerbehörde von Hallunda, ein Geiseldrama ab. Ein bewaffneter Mann drang unmittelbar nach Öffnung der Behörde in die Büroräume ein und bedrohte drei Mitarbeiter mit einer abgesägten Schrotflinte. Das Drama fand ein glückliches Ende.«
    Glücklich, dachte er und sagte: »Die Ausländerbehörde von Botkyrka, Standort Hallunda.«
    Die weiblichen Familienmitglieder sahen ihn an und bewerteten seine Aussage, jede aus ihrer Sicht. Tova dachte: Ist doch scheißegal. Cilla dachte: Du drückst mal wieder deine allgemeine Unzufriedenheit aus, indem du sachliche Fehler herauspickst; Gefühle werden Gedanken, Empfindungen Fakten.
    Das Telefon klingelte. Er rülpste und nahm den Hörer ab.
    »Ausländerbehörde von Hallunda?« sagte Svante Ernstsson.
    »Abgesägte Schrotflinte?« erwiderte Paul Hjelm.
    Lachen an beiden Enden der Leitung, Insider-Lachen.
    Das notwendige alberne Geplänkel.
    Ein ganz bestimmtes Lachen.
    An dessen Klang man erkennt, ob es nur oberflächlich ist.
    »Wie geht es dir?« fragte Ernstsson schließlich.
    »Gespalten.«
    »Jetzt kommt

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