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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nichts zu wünschen übrig, worüber ich sehr beruhigt bin, denn er ist in einem Alter wo die jungen Leute schnell wachsen und kräftiger Nahrung bedürfen. Diese unglaubliche Aehnlichkeit verwirrt mich manchmal… Ganz derselbe Blick, wenn er mich ansieht, derselbe Ton seiner Stimme… er nennt die Dinge und drückt seine Gedanken geradeso aus, wie mein armer John.
    Eines Tages machte ich Len Burker auf diese Eigenthümlichkeiten aufmerksam.
    »Nein, Dolly, antwortete er, das ist eine reine Sinnestäuschung. Ich gestehe, daß ich über die Aehnlichkeit gar nicht erstaunt bin, die nach meiner Meinung nur in Ihrer Einbildung existirt. Nun, da liegt weiter nichts daran, wenn Sie aus diesem Grunde für den Burschen ein so großes Interesse haben.
    – Nein, Len, antwortete ich, denn ich fühle mich blos deshalb zu Godfrey hingezogen, weil er sich für das einzige Ziel meines Lebens so begeisterte… John wiederzufinden und zu retten. Er bat mich inständigst, ihn mitzunehmen, und gerührt von diesen Bitten, willigte ich ein. Und dann ist er ja eines meiner Waisenkinder in San-Diego, die im Wat-House erzogen wurden… Godfrey ist wie ein Bruder meines kleinen Wat…
    – Ich weiß, ich weiß, Dolly, erwiderte Len Burker, und ich verstehe Sie auch bis zu einem gewissen Grade. Wolle der Himmel, Sie möchten nie eine That bereuen, wo mehr Ihre Einbildungskraft als Ihre Vernunft im Spiele ist.
    – Ich höre Sie nicht gern so sprechen, Len Burker, erwiderte ich lebhaft. Solche Bemerkungen verletzen mich. Was haben Sie gegen Godfrey?
    – O nichts… nichts bis jetzt. Aber wer weiß… später… könnte er vielleicht Ihre Güte ein wenig zu sehr mißbrauchen… Ein Findelkind… Man weiß nicht, woher es kommt… woher es ist… welches Blut in seinen Adern fließt…
    – Das Blut braver, ehrlicher Leute, dafür bürge ich, rief ich aus. An Bord des »Brisbane« hatten ihn Alle gern, Vorgesetzte wie Kameraden, und wie mir der Capitän selbst sagte, erhielt Godfrey noch nie einen Tadel! Zach Fren, der sich auf Menschen versteht, schätzt ihn ebenso wie ich! Sagen Sie mir also Len Burker, was Sie gegen diesen Knaben haben?
    – Ich… Dolly!… Ich liebe ihn und liebe ihn auch nicht… Er ist mir vollständig gleichgiltig… Was meine Freundschaft anbelangt, so gebe ich sie eben nicht dem ersten Besten, und ich denke nur an John, ihn den Eingebornen zu entreißen…«
    Wenn Len Burker mir durch diese Worte eine Lehre geben wollte, so beachte ich sie nicht. Ich werde meinen Gatten nicht um dieses Kindes willen vergessen, aber der Gedanke macht mich glücklich, daß Godfrey seine Anstrengungen mit den meinigen vereinigt. Ich bin fest überzeugt, daß John Alles billigen wird, was ich gethan habe, und ich rechne auch für die Zukunft auf diesen jungen Mann.
    Als ich Jane dieses Gespräch mittheilte, schlug sie die Augen nieder und gab keine Antwort.
    In Zukunft werde ich schweigen, denn Jane will und kann Len Burker nicht Unrecht geben. Ich verstehe diese Zurückhaltung, es ist ihre Pflicht.
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    29. Januar. Wir sind an den Ufern eines kleinen Sees angelangt, den Tom Marix für den White-Lake hält. Er rechtfertigt auch seinen Namen »Weißer See«, denn an Stelle des Wassers, das verdunstet ist, befindet sich da eine dicke Salzkruste, die bis auf den Grund geht. Dieser See ist noch ein Rest jenes großen Binnenmeeres, das ehemals Australien in zwei große Inseln theilte.
    Zach Fren ergänzte unsere Salzvorräthe; hätten wir lieber trinkbares Wasser gefunden!
    In der Umgebung sind eine Menge Ratten, die kleiner sind wie die gewöhnlichen, vor denen wir aber sehr auf der Hut sein müssen, weil sie wegen ihrer Gefräßigkeit Alles benagen, was man unbeachtet stehen läßt.
    Uebrigens fanden die Schwarzen, daß diese Thiere ein gar nicht so übles Wildpret liefern. Sie singen daher einige Dutzend, zogen sie ab, brieten sie dann und ergötzten sich an diesem ekelhaften Fleische. Wir müßten wohl schon gar keine Lebensmittel mehr haben, wenn wir diese Thiere essen sollten. Gebe Gott, daß wir nie auf solches Fleisch angewiesen seien!
    Nun sind wir an der Grenze der Wüste, welche man unter dem Namen der »Great-Sandy-Desert« versteht.
    Während der letzten zwanzig Meilen veränderte sich allmählich das Terrain. Die Gräser sind weniger dicht, und diese mageren Pflanzen sind ganz im Verschwinden begriffen. Ist denn der

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