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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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zugeführt hatte.
    Aber wenn auch die Zeit dahinfloh, so erinnerte man sich doch stets in San-Diego an das Unglück der Familie Branican, und die Sympathie für sie war ebenso groß und aufrichtig, wie am ersten Tage.
    So begann nun das Jahr 1879, doch alle diejenigen, welche glaubten, daß es wieder ohne die geringste Veränderung der Lage verfließen würde, täuschten sich gründlich.
    In den ersten Monaten des neuen Jahres waren Dr. Brumley und die anderen Aerzte der Heilanstalt über die Veränderung des geistigen Zustandes der Mrs. Branican überrascht. Diese verzweifelnde Ruhe, diese apathische Gleichgiltigkeit, welche sie bisher gezeigt hatte, machte einer eigenthümlichen Aufregung Platz. Das war keine Krisis, in der der Geist vollständig in nichts aufging. Nein! Man hätte glauben können, daß Dolly das Bedürfniß in sich fühle, an dem geistigen Leben wieder theilzunehmen, daß ihre Seele trachtete, die Fesseln zu brechen, welche sie hinderten, sich auszudehnen. Die Kinder, welche man ihr zuführte, rangen ihr einen Blick, fast ein Lächeln ab. Es schien, als wäre Dolly ein Mensch, der sich fortwährend fragt, der nachgrübelt und in seinem Gedächtnisse ferne Erinnerungen sucht.
    Sollte Mrs. Branican ihren Verstand wieder erhalten? War das eine Art Wiedergeburt, welche in ihr vor sich ging? Sollte ihr das geistige Leben wiedergegeben werden… Ach, jetzt, wo sie kein Kind, keinen Gatten mehr hatte, war es da zu wünschen, daß diese Heilung, dieses Wunder geschehe, da sie doch nur viel unglücklicher werden würde!
    Mochte dies wünschenswerth sein oder nicht, die Aerzte sahen eine Möglichkeit des Erfolges. Es wurde Alles in Bewegung gesetzt, um auf den Geist, auf das Herz der Mrs. Branican heilsamen Einfluß auszuüben. Man beschloß sogar, sie aus der Heilanstalt des Dr. Brumley zu nehmen und sie nach Prospect-House zurückzuführen. Und als dies geschehen war, da war sie sich sicher dieser neuen Veränderung bewußt, sie schien Interesse zu haben, sich in dieser neuen Lage zu befinden.
    Mit den ersten Frühlingstagen – es war damals im April – wurden wieder die Spaziergänge in die Umgebung unternommen. Mrs. Branican wurde mehrmals an den Strand der Island-Spitze geführt. Die wenigen Schiffe, welche in der offenen See fuhren, verfolgte sie mit den Blicken, und ihre Hand streckte sich gegen den Horizont aus. Aber sie suchte nicht mehr, wie damals, davonzueilen und dem Dr. Brumley zu entfliehen, der sie begleitete. Sie fürchtete sich nicht vor dem donnernden Brechen der Wogen. Dachte sie daran, wie draußen auf dem Meere der »Franklin« dahinfuhr, als er den Hafen von San-Diego verließ und seine großen Segel hinter den Felsenspitzen verschwanden?… Ja… Vielleicht! Und ihre Lippen murmelten eines Tages deutlich den Namen John!…
    Es war klar, daß die Krankheit der Mrs. Branican soeben in ein Stadium getreten war, das mit der größten Sorgfalt studiert sein wollte. Indem sie sich wieder an das Leben im Prospect-House gewöhnte, erkannte sie hier und da die ihr theuren Gegenstände. Eine Photographie des Capitän John, welche an der Wand ihres Zimmers hing, begann ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Jeden Tag sah sie beharrlicher hin, und eine Thräne entrann, noch unbewußt, ihren Augen.
    Ja, wenn es nicht sicher wäre, daß der »Franklin« untergegangen war, wenn John hätte wiederkommen können, wenn er plötzlich erschienen wäre, dann hätte Dolly ihren Verstand wieder erhalten!… Aber auf die Rückkehr Johns konnte man nicht mehr rechnen.
    Deshalb beschloß Dr. Brumley, bei der armen Frau eine nervöse Erschütterung hervorzubringen, die nicht ohne Gefahr war. Er wollte dies thun, bevor die beobachtete Besserung wieder schwinde, bevor die Kranke wieder in jenen Stumpfsinn falle, der ihr in den vier Jahren so eigenthümlich war. Da es schien, daß ihre Seele bei dem Hauche der Erinnerungen vibrirte, so sollte sie eine Erschütterung erhalten, mochte sie auch dabei zu Grunde gehen. Ja! Lieber so, als wenn Dolly wieder in das Nichts versank, das so viel ist wie der Tod.
    Das war auch die Meinung Mr. William Andrew’s, und er ermuthigte den Dr. Brumley, diesen Versuch zu machen.
    Eines Tages – es war der 27. Mai – holten Beide Mrs. Branican im Prospect-House ab. Ein Wagen, der sie an der Thür erwartete, führte sie durch die Straßen von San-Diego bis zu den Quais des Hafens und hielt bei der Landungsbrücke, wo ein Schraubendampfer die Passagiere aufnahm, welche nach Loma fahren

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