Mistreß Branican
bemerkte sie weder in der Veranda, noch an den Fenstern des ersten Stockwerkes, die stets geschlossen waren.
Was die Mulattin anbelangt, so ging sie nur aus, um Einkäufe zu besorgen, und dies that sie nicht in Abwesenheit Len Burker’s, so daß Dolly nie mit Jane im Hause allein war. Man könnte noch hinzufügen, daß Len Burker in den letzten Monaten des Jahres auch sehr selten in seine Kanzlei in der Fleet Street kam. Es vergingen oft Wochen, bevor er sie wieder einmal betrat, es sei denn, er hatte ein ganz neues Geschäft zu machen.
So näherte sich das Jahr 1875 seinem Ende, das der Familie Branican so verhängnißvoll geworden war: John verschollen, Dolly irrsinnig, ihr Kind in der Tiefe des Meeres!
Siebentes Capitel.
Verschiedene Möglichkeiten.
Es kam keine Nachricht von dem »Franklin« bis zu den ersten Monaten des Jahres 1876. Nirgends, weder in den Gewässern der Philippinen, noch in denen von Java, noch nördlich von Australien konnte eine Spur entdeckt werden. Uebrigens, wie konnte man annehmen, daß der Capitän John sich durch die Meerenge von Torres gewagt hätte? Nur einmal wurde nördlich von den Sundainseln, dreißig Meilen von Batavia, ein Stück des Vorderstevens eines Schooners der Vereinigten Staaten aufgefischt und nach San-Diego gebracht, um untersuchen zu lassen, ob es nicht zum »Franklin« gehörte. Aber nach einer sorgfältigen Prüfung ersah man, daß das Stück aus viel älterem Holze bestand, als zum Baue des »Franklin« verwendet worden war.
Ueberhaupt konnte sich dieses Stück nur losgeschlagen haben, wenn das Schiff an eine Klippe geschleudert worden oder zusammengestoßen war. Nun, im letzteren Falle wäre das Geheimniß des Zusammenstoßes nicht so gut bewahrt geblieben, es hätte denn sein müssen, daß beide Schiffe versanken. Aber da man von dem Verschwinden eines anderen Schiffes nichts wußte, wenigstens bis auf zehn Monate zurück, so kam man ganz einfach zu dem Schlusse, daß der »Franklin« in einen jener furchtbaren Wirbelstürme gerathen war, die so häufig in jenen Breitegraden wüthen und denen kein Schiff Widerstand leisten kann.
So war denn ein Jahr vergangen, seitdem der »Franklin« San-Diego verlassen hatte, und er wurde in die Liste der verschollenen oder untergegangenen Schiffe eingetragen, die in den Annalen des Seeverkehrs so zahlreich vertreten sind.
Der Winter des Jahres 1875 bis 1876 war sehr streng, und sogar in jener gesegneten Gegend Süd-Californiens, wo das Klima im Allgemeinen milde ist. Wegen der außerordentlichen Kälte, die bis Ende Februar anhielt, konnte sich Niemand wundern, wenn Mrs. Branican das Prospect-House nicht verließ, nicht einmal um Luft zu schöpfen.
Aber mit der Zeit hätte dies doch der Nachbarschaft auffallen müssen. Man würde sich gesagt haben, wenn die Krankheit der Mrs. Branican sich nicht verschlimmert hatte, so müßte doch Len Burker ein besonderes Interesse haben, sie so gefangen zu halten. Auch das Wort Sequestration wurde nie ausgesprochen. Was Mr. William Andrew anbelangt, so mußte er einen großen Theil des Winters das Zimmer hüten, und er war selbst schon ungeduldig zu sehen, in welchem Zustande sich Dolly befände; er nahm sich daher vor, sobald er ausgehen könnte, sich in das Prospect-House zu begeben.
Nun, in der ersten Woche des Monates März machte Mrs. Branican in Begleitung Janes in der Umgebung von Prospect-House ihre gewohnten Spaziergänge, indem auch die Mulattin dabei war. Kurze Zeit darauf besuchte Mr. William Andrew die junge Frau, und er constatirte mit Freuden, daß ihre Gesundheit zu keiner Beunruhigung Veranlassung gab. Physisch war ihr Zustand zufriedenstellend, so weit es möglich war. Geistig war keine Besserung eingetreten, denn sie hatte noch immer jede Erinnerung verloren und verharrte in ihrem Stumpfsinne. Selbst bei den Spaziergängen, wo sie sich hätte an einige suchen erinnern können, wenn sie auf der Straße Kindern begegnete, wenn sich ihr Blick auf dem weithin sich ausdehnenden Meere verlor, fiel sie nie mehr in jene Aufregung wie ehemals. Sie suchte nicht zu entfliehen, so daß man sie jetzt mit Jane allein gehen ließ. Jeder Gedanke des Widerstandes, jede Auflehnung war erloschen, sie war gleichgiltig und ergab sich in Alles. Und als Mr. William Andrew Dolly wiedersah, mußte er sich von Neuem sagen, daß ihre geistige Umnachtung unheilbar sei.
Um diese Zeit wurde die Lage Len Burker’s immer gefährlicher. Das Geld der Mrs. Branican, welches er angegriffen hatte,
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