Mistreß Branican
Angaben uns veranlassen, noch eine zweite Expedition zu unternehmen? Wenn Sie daher gewillt wären, das Commando des »Dolly-Hope«…
– Sehr gern, Mrs. Branican, aber ich gehöre dem Hause Andrew, und es ist möglich, daß es meiner Dienste bedarf…
– Das soll Sie nicht abhalten, lieber Ellis, erwiderte Mr. William Andrew. Es freut mich, wenn Sie sich Mrs. Branican zur Verfügung stellen.
– Ich stehe zu Diensten, Herr Andrew. Meine Mannschaft und ich werden den »Dolly-Hope« nicht verlassen.
– Und ich bitte Sie, Herr Capitän, erwiderte Mrs. Branican, darauf zu achten, daß das Schiff stets bereit ist, in See zu stechen.«
Als William Andrew seine Zustimmung gab, da that er es nur, um Mrs. Branican einen Gefallen zu erweisen, denn sowohl er wie der Capitän Ellis zweifelte nicht, daß sie nach den Mißerfolgen der ersten Expedition auf eine zweite wohl verzichten werde. Wenn auch die Zeit nie in ihr die Erinnerung an die Katastrophe auslöschen würde, so würde sie wenigstens schließlich jede Hoffnung vernichten.
So wurde also nach den Befehlen der Mrs. Branican der »Dolly-Hope« nicht abgetakelt. Ellis und seine Leute blieben auf dem Schiffe und erhielten ihren Gehalt ebenso, als wenn sie auf der Fahrt begriffen wären. Uebrigens hatte das Schiff auch mehrfache Ausbesserungen nöthig, da es doch sehr gelitten hatte. Als diese Arbeiten beendigt waren, wurden Lebensmittel und Kohlen eingeschifft, so daß es bei dem ersten Befehle in See stechen konnte.
Mrs. Branican wohnte immer noch im Prospect-House, wo außer Ellis und Mr. William Andrew Niemand Zutritt hatte. Sie lebte ganz in der Erinnerung und Hoffnung, indem sie stets an ihr doppeltes Unglück dachte. Der kleine Wat wäre jetzt sieben Jahre alt, gerade die Zeit, wo das erste Licht den jungen Geist erleuchtet – und der kleine Wat war nicht mehr! Dann dachte sie an Zach Fren, der sie mit Lebensgefahr gerettet hatte und den sie so gerne kennen gelernt hätte, aber er war noch nicht von San-Francisco zurück. Doch das würde nicht mehr so lange dauern, da die Schiffszeitungen schon einigemale über den »Californian« Nachrichten brachten; gewiß würde er gegen Ende des Jahres 1881 zurück sein. Dann würde sie ihn sofort zu sich rufen und ihm ihre große Schuld abtragen.
Auch hörte Mrs. Branican nicht auf, die Familien, welche durch den Untergang des »Franklin« so schwer betroffen worden waren, zu unterstützen, und sie verließ nur ihr Haus, um sich in die armen Viertel der Stadt zu begeben.
Ihr Edelmuth zeigte sich bei den verschiedensten Angelegenheiten. Auch fragte sie Mr. William Andrew wegen der Gründung eines Waisenhauses in San Diego um Rath.
»Herr Andrew, sagte sie, ich will dasselbe zur Erinnerung an unser Kind errichten und es mit allen nothwendigen Hilfsmitteln ausstatten. Ich zweifle nicht, daß John bei seiner Rückkunft das billigen wird, denn welch’ besseren Gebrauch könnten wir von unserem Vermögen machen?«
Mr. William Andrew hatte keine Ursache, etwas dagegen einzuwenden und er stellte sich wegen Einleitung der nothwendigen Schritte Mrs. Branican zur Verfügung. Hundertfünfzigtausend Dollars sollten zur Erwerbung eines passenden Hauses und zur Ausführung der nothwendigen Einrichtungen verwendet werden.
Dieses Project ging, Dank dem Gemeinderathe der Stadt, bald seiner Ausführung entgegen. Es wurde ein großes Gebäude, welches in frischer Luft auf den Abhängen von San-Diego stand, gekauft und ein geschickter Baumeister richtete dasselbe für seine Bestimmung ein, indem fünfzig Kinder mit dem genügenden Personal zu ihrer Pflege und Erziehung darin Platz finden sollten. Da sich um dasselbe auch ein großer, schattiger Garten mit stets frischem Wasser befand, so entsprach dieses Haus vollkommen allen modernen Anforderungen.
Am 10. Mai wurde dieses Hospiz, welches den Namen Wat-House erhielt, unter dem Beifalle der ganzen Stadt, die bei dieser Gelegenheit der edlen Gründerin ihre Sympathie ausdrücken wollte, eröffnet. Aber Mrs. Branican erschien nicht zu dieser Feierlichkeit und wollte ihr Haus nicht verlassen. Sobald eine Anzahl Kinder in dem Wat-House aufgenommen waren, kam sie jeden Tag zu ihnen, als wenn sie ihre Mutter gewesen wäre. Die Kinder blieben in diesem Hause bis zu ihrem zwölften Jahre, lernten lesen, schreiben und rechnen und konnten sich ein beliebiges Handwerk wählen. Diejenigen, welche sich dem Seeleben widmen wollten, konnten sich als Schiffsjungen einschiffen, und gerade diese
Weitere Kostenlose Bücher