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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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mehr sehen… und bevor ich den »Brisbane« verlasse… will ich wissen… ja, ich will wissen…«
    Zach Fren mußte Dolly versprechen, ihr Godfrey vorzustellen; dann zog sie sich in ihre Cabine zurück.
    Der Hochbootsmann ging beunruhigt auf dem Verdeck hin und her, bis der Kellner zum zweiten Frühstück läutete. Er wäre beinahe an den Engländer gestoßen, der auf das Glockenzeichen in rhythmischen Schritten der Treppe zuging.
    »Gut!… O!… Sehr gut! sagte Jos Meritt. Sie haben… auf meine Bitte… meine Huldigungen… Ihr Gatte verschwunden… Sehr gut!… Gut!… O!… Sehr gut!«
    Dann ging er fort und nahm seinen gewöhnlichen Platz im Dining Room ein… versteht sich, den besten und den nächsten der Küche, um sich die besten und schönsten Stücke nehmen zu können.
    Gegen drei Uhr fuhr der »Brisbane« am Cap Nelson vorüber und nahm dann die Richtung gegen Norden, indem er sich ziemlich nahe der Küste von Südaustralien hielt. In dieser Zeit setzte Zach Fren Godfrey in Kenntniß, daß Mrs. Branican mit ihm zu sprechen wünsche.
    »Mit mir zu sprechen?« rief der Schiffsjunge.
    Er gerieth darüber so in Aufregung, daß er sich an die Brüstung anklammern mußte, um nicht zu fallen. Godfrey wurde nun von Zach Fren in die Cabine der Mrs. Branican geführt.
    Sie sah ihn einige Zeit an. Er stand vor ihr, die Mütze in der Hand. Zach Fren lehnte sich an die Thüre und betrachtete beide ängstlich, denn er wußte zwar, was Dolly fragen werde, es war ihm aber unbekannt, was der Bursche antworten würde.
    »Mein Kind, sagte Mrs. Branican, ich möchte gern wissen… aus welcher Familie Sie stammen… Wenn ich danach frage… so geschieht es aus Interesse für Ihre Lage… Wollen Sie mir antworten?
    – Sehr gern, Mistreß, erwiderte Godfrey mit zitternder Stimme.
    – Wie alt sind Sie? fragte Dolly.
    – Ich weiß es nicht genau, aber so zwischen vierzehn und fünfzehn Jahren.
    – So… zwischen vierzehn und fünfzehn… und seit wann sind Sie auf dem Meere?
    – Ich bin mit ungefähr acht Jahren als Schiffsjunge eingetreten, und seit zwei Jahren bin ich Matrose.
    – Haben Sie große Reisen gemacht?
    – Ja, Mistreß. Auf dem Stillen Ocean bis nach Asien… und auf dem Atlantischen Ocean bis nach Europa.
    – Sind Sie ein Engländer?
    – Nein, ich bin Amerikaner.
    – Wie kommen Sie da auf ein englisches Dampfboot?
    – Das Schiff, auf dem ich war, wurde nach Sydney verkauft. Da ich nun ohne Stellung war, so ging ich auf dieses Schiff, indem ich auf eine Gelegenheit warte, wieder in die Dienste eines amerikanischen treten zu können.
    – Gut, mein Kind, sagte Mrs. Branican, indem sie ihm ein Zeichen gab, näher zu treten. Godfrey gehorchte.
    – Nun möchte ich wissen, wo Sie geboren sind.
    – Zu San-Diego, Mistreß.
    – Ja, zu San-Diego,« wiederholte Dolly, ohne überrascht zu sein, als wenn sie diese Antwort schon geahnt hätte.
    Zach Fren konnte kaum erwarten, was er jetzt hören werde.
    »Ja, zu San-Diego, wiederholte Godfrey. O, ich kenne Sie sehr gut… Ja, ich kenne Sie… Als ich erfuhr, daß Sie nach Sydney kämen, da freute ich mich… Wenn Sie wüßten, wie ich mich für den Capitän John Branican interessire!«
    Dolly nahm den jungen Matrosen bei der Hand und schwieg. Dann fragte sie, woraus man deutlich ihre Zerstreuung ersehen konnte:
    »Wie heißen Sie?
    – Godfrey.
    – Godfrey ist Ihr Taufname… Doch wie lautet Ihr Zuname?
    – Ich habe keinen anderen Namen.
    – Ihre Eltern?
    – Ich habe keine Eltern.
    – Keine Eltern, wiederholte sie. Sie sind erzogen worden…?
    – Im Wat-House, erwiderte Godfrey. Ja, Mistreß, und unter Ihrer Leitung. O, ich habe Sie oft gesehen, wenn Sie Ihre Kinder im Hospiz besuchten. Sie sahen mich nicht unter den vielen Kleinen, aber ich sah Sie… Ich hätte Sie küssen mögen… Da ich zur See gehen wollte, so trat ich, als ich alt genug war, als Schiffsjunge ein… Auch andere Waisenkinder aus dem Wat-House sind zur See gegangen… Und wir werden nie vergessen, was wir der Mrs. Branican… unserer Mutter, schulden!…
    – Ihre Mutter,« rief Dolly zitternd aus, wie wenn dieses Wort ihr ins Innerste gedrungen wäre.
    Sie zog Godfrey an sich… sie bedeckte ihn mit Küssen… er küßte sie wieder… er weinte… Zwischen ihr und ihm war ein neues Band geknüpft worden.
    Bestürzt sah Zach Fren auf diese Scene und murmelte:
    »Die arme Frau!… Die arme Frau!… Wohin soll das führen?«
    Mrs. Branican erhob sich und sagte:
    »Gehen Sie, Godfrey!…

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