Mit 80 000 Fragen um die Welt
blauen Baracke einen Soldaten, der halb auf Nordkorea blickt und mit der anderen Hälfte seines Körpers direkt vor der Barackenwand steht. Das hat einen Grund: Wenn auf den Soldaten geschossen wird, ist er dem Feuer nur halb ausgesetzt und kann es rasch erwidern.»
Soldaten, die Tag und Nacht halb hinter einer dünnen Wand stehen und mit einem Auge die Baracke anstarren – doch das ist noch nicht alles. Meisenheimer führt uns in ein Gebäude, das direkt auf der Grenze steht. Es ist neutral und wird abwechselnd von beiden Ländern genutzt – beide Seiten führen Touristengruppen an diesen Ort. Das Innere ist blau gestrichen, blankpolierte Holztische, Ledersessel. Am Ende des Raumes ist eine weitere Tür, sie führt direkt nach Nordkorea. Davor stehen zwei südkoreanische Soldaten.
«Diese Männer sind hier zu Ihrem Schutz. Sie stellen sicher, dass niemand aus der nördlichen Tür kommt oder durch sie hindurchgeht.»
«Und was passiert, wenn ich es versuche?»
«Die hauen dich um.»
«Die hauen mich um?»
«Ja, Sir. Das ist ihr einziger Job. Höhö.»
Meisenheimer erklärt, die Nordkoreaner hätten schon des Öfteren die Tür geöffnet und versucht, einen Südkoreaner über die Grenze zu ziehen.
In der Mitte des Raums steht ein schwerer Verhandlungstisch mit Mikrophonen. Gelegentlich sitzen sich hier Vertreter beider Länder gegenüber, sagt der Sergeant. Die Tischmikros seien 24 Stunden am Tag aktiv und würden von beiden Seiten abgehört. Doch die lange braune Tafel scheint noch ein Geheimnis zu bergen. Der Sergeant stellt sich breitbeinig vor das Ende des Tischs und holt Luft.
«Ladies and Gentlemen, diese Mikrophone repräsentieren die militärische Demarkationslinie. Alle, die rechts von mir stehen, sind sicher. Sie sind in Südkorea. Alle, die links von mir stehen, sind jetzt in Nordkorea.»
«Ich bin in Nordkorea?»
«Ja, Sir. Alles nördlich der Tischmikrophone ist Nordkorea.»
Was für eine Grenzerfahrung.
KAPITEL 13
«KOMMEN ADAM UND EVA AUS AFRIKA?»
HAILE, HAILE
Koffer gepackt, Taxi bestellt, Kameramann abgeholt, zum Flughafen gefahren, eingecheckt, das Handgepäck durchleuchtet, einen Kaffee gekauft, eine Zeitung bei Lufthansa geklaut, abgeflogen, Film angesehen, Chicken oder Beef bestellt und minutenlang den roten Strich auf dem Bordbildschirm dabei beobachtet, wie er sich auf der Karte langsam von Deutschland aus nach Süden bewegt. Er frisst sich durch die Adria, zerteilt das Mittelmeer, durchquert erst Ägypten, dann den Sudan und endet in Äthiopien.
Willkommen in Addis Abeba. Willkommen in der Wiege der Menschheit. Hier soll alles mal angefangen haben, doch für uns ist alles schon vorbei. Ein äthiopischer Zollbeamter beschlagnahmt unsere Kamera und die gesamte Ausrüstung. Begründung: keine Drehgenehmigung. Wir hatten die Papiere vor Wochen beantragt und sollten sie genau hier abholen. Aber der Wisch ist angeblich nie am Flughafen angekommen. Hilft mein Presseausweis? Hilft Lautstärke? Geld? Keine Chance. Notgedrungen lassen wir die teure Technik am Flughafen. Der Super-GAU. Afrikaner sind erstaunlich bürokratisch.
Und wieder verlassen wir irgendeine Empfangshalle in irgendeinem Land auf irgendeinem Kontinent und haben keine Ahnung, was uns hier erwartet. Du steigst in Frankfurt ein und in Äthiopien wieder aus. Äthiopien! Wir lassen uns von einem Rastafari bequatschen und nehmen ein uraltes Taxi, das er in Jamaika-Farben bemalt hat. DieTür fällt fast aus dem Rahmen, als ich sie öffnen will. Der Wagenboden ist komplett durchgerostet. Im Innenraum kleben Bilder von Bob Marley, Peter Tosh und Haile Selassie, dem letzten Kaiser von Äthiopien – die Rastas verehren ihn wie einen Gott. Übrigens bitte nicht zu verwechseln mit Haile Gebrselassie, ebenfalls Äthiopier und der vielleicht größte Langstreckenläufer aller Zeiten. Auch er ist für seine Landsleute ein Heiliger. Äthiopien ist eine Läufernation. Angeblich trainieren Hunderte Äthiopier jeden Morgen um sechs Uhr auf den Stufen des Amphitheaters, mitten im Zentrum von Addis Abeba. Wenn das stimmt, dann bringt dich dieses Training entweder um, oder es macht dich sehr, sehr hart. Erstens: Die Stadt liegt zwischen zwei- und dreitausend Meter hoch, die Luft ist dünn. Zweitens: Offenbar hat noch niemand in Addis Abeba das Wort «Katalysator» gehört. Die uralten Lastwagen und überfüllten Minibusse blasen gehörige Rußwolken ungefiltert in die Luft. Ich schließe das Seitenfenster – schlechte Idee: Nun
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