Mit Arabella fing alles an
gewesen, diese Geste zurückzuweisen. Es hätte >Unglück< gebracht. Vielleicht hätte irgendein halbvergessener Drude vom tiefsten Hinterland eine Erklärung gewußt.
Damit wurde der Kauf endgültig abgeschlossen. Der Händler fuhr weg, und wir konnten uns jetzt um die Neuankömmlinge kümmern. Am wichtigsten war zunächst das Füttern. Zu Beginn sollten sie etwa anderthalb Liter Milch oder Milchersatz zweimal täglich bekommen.
Beladen mit unseren sechs neuen Eimern voller Milch marschierten wir fröhlich zu der Einzäunung. Mit einem vielstimmigen lauten Gebrüll wurden wir begrüßt. Das hätte uns warnen müssen — aber wir benahmen uns wie Grünhörner. In unschuldiger Einfalt öffneten wir das Gatter und traten ein.
Es glich dem Angriff der leichten Kavallerie! Trotz ihres zarten Alters wußten sie, daß Menschen und Eimer Fressen bedeuteten. Und sie waren völlig ausgehungert! Es herrschte ein irrsinniges Durcheinander von Köpfen, Schwänzen und Beinen, verschütteter Milch und herumfliegenden Eimern. Wenn man ein Kalb zu füttern versuchte, drängelte sich ein anderes rücksichtslos vor, denn kein anderer Bauch in der Welt konnte auch nur annähernd so leer sein wie sein eigener.
Auch kam hinzu, daß wir sie nicht nur einfach auszusortieren und zu füttern brauchten; zwar waren sie heißhungrig und wußten sehr wohl, was in den Eimern war, aber sie wußten nicht, wie sie in diesen Genuß kommen konnten. Sie waren voll guten Willens, auch imstande, zu saugen, aber man mußte ihnen das Trinken beibringen. Das hieß, daß man ihnen zwei Finger in das Maul stecken und es dann hinunter zur Milch weisen mußte. Durch das Saugen an den Fingern nahmen sie auch Milch auf, aber es war ein langsamer und mühevoller Vorgang.
Einige von ihnen lernten verhältnismäßig schnell. Andere wiederum stellten sich mehr als dumm an. Aber je länger das Füttern dauerte, um so einfacher wurde es, denn die satten Kälber verließen nach und nach die Tränke und legten sich zum Ausruhen auf das Stroh. Wir atmeten erleichtert auf, als alle in einem milchmäuligen Haufen zusammenlagen, so niedlich, müde und zufrieden — wenn auch nur für den Augenblick.
Was Shirley, John und mich anbetraf, so wankten wir aus dem Gehege und sahen uns erst einmal genauer an. Unsere Kleidung war von der verschütteten Milch vollkommen durchweicht. Unsere Rücken schmerzten. Unsere Arme drohten abzufallen.
»Mein Gott«, sagte Shirley mit schwacher Stimme. »Müssen wir das etwa zweimal pro Tag durchmachen?«
»Wir werden sie morgen teilen«, erwiderte ich. »Wir stecken eine Hälfte in das andere Gehege. Dann geht’s besser.«
»Das ist ein sehr guter Vorschlag«, meinte meine Frau. »Wie wär’s mit ‘ner Tasse Kaffee?« Sie würde wohl auch noch Kaffee kochen, wenn der Weltuntergang bevor stünde.
Alles andere als ein sehr steifer Gin Tonic war undenkbar. Schweigend saßen wir mit unseren Gläsern in der Hand am Kamin, bis sie sagte: »Das Leben in der Stadt ist mit diesem einfach nicht zu vergleichen. Ob sie wohl deine Stelle schon wieder besetzt haben?«
12
Alice Capone
A lle Kälber schienen für uns gleich auszusehen, bis dieser Haufen in unser Leben trat. Doch eigentlich hatten wir gar nicht weiter darüber nachgedacht. Es stellte sich aber heraus, daß sie alle durchaus unterschiedliche Persönlichkeiten waren. Ein Kalb war besonders aggressiv; bei jedem Füttern drängte es sich rücksichtslos vor, um in die erste Reihe zu gelangen. Die Kinder nannten es Alice Capone. Wie sonst?
Die Fingersaugtechnik war sehr anstrengend für den Rücken. Eine große Erleichterung bedeutete es für uns, als die Kälber eins nach dem anderen richtig trinken lernten. Natürlich war Alice die erste, die es konnte. Genauso natürlich war sie entschlossen, ihre neu erlernte Fähigkeit ihren langsameren Gefährten zu vermitteln. Das versuchte sie auf diese Weise, daß sie ihren Kopf neben den des anderen Kalbs auch noch mit in den Eimer zwängte, so daß keins von beiden etwas bekam. Als die Hungrigen dann unwillig wurden und aufbegehrten, stieß Alice sie kämpferisch mit dem Kopf und versuchte sie wegzudrängen. Sie hatte ein besonderes unerfreuliches Verfahren: Wenn ein Kalb gefüttert wurde, senkte sie ihren Kopf unter den Eimer und schickte dann mit einem schnellen Stoß Milch und Eimer im hohen Bogen auf Reisen. Gott sei Dank lernte sie ebenso schnell, daß gewisse laute Wörter oder ein erhobener Fuß eine Drohung bedeuteten. Aber
Weitere Kostenlose Bücher