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Mit Arabella fing alles an

Mit Arabella fing alles an

Titel: Mit Arabella fing alles an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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selbst dann war es aufreibend, sie wie einen lauernden Hai um uns herumschleichen zu sehen, wenn wir ein anderes Kalb zu füttern versuchten.
    Zur großen Belustigung unserer Nachbarn gaben die Kinder und Shirley allen Kälbern einen Namen. Es gab Blackeye, ein kräftiges Kalb mit einem schwarzen Fleck wie eine Augenklappe an einem Auge, sowie dessen besondere Freundin Beauty. Sie lagen immer eng beieinander im Gehege. Es gab White Star und Little Star, String-Round-Neck, die einen Strick als Halsband bei ihrer Ankunft umhatte, und weiter Humpyback, die unglücklich aussah und ihren Rücken krümmte, als sei ihr kalt. Shirleys besonderer Liebling wurde Mother’s Pet genannt; unter den übrigen war da auch noch Plain Jane, ein armes Kälbchen, das starb.
    Für die Kinder war die Farm ein einziger herrlicher Spielplatz. Die Ankunft der ersten Ladung von Kälbern bedeutete für sie nichts anderes als neun weitere Spielgefährten. Bevor sie morgens den Hof für die Schule — etwa sechs Kilometer entfernt — verließen, rannten sie noch schnell zu den Gehegen hinunter, um nach ihrem augenblicklichen Favoriten zu sehen. Lind nachmittags eilten sie nach Hause, um zu hören, was alles während ihrer Abwesenheit passiert war.
    Die Kälbchen reagierten fast ebenso begeistert. Sie mochten sehr gern gehätschelt werden und standen ganz still und ließen es sich glücklich gefallen, wenn die Kinder sie hinter den Ohren kraulten oder sie streichelten. Als sie etwas älter waren, spielten sie miteinander das Kopfstoßen. Eines Tages, als der vierjährige Nicholas Paul sie beim Herumtollen in den Gehegen beobachtete, rief er aus: »Sie tanzen, weil sie glücklich sind!«
    Es war auch Nicholas Paul, der Shirley als >Kälbchen-Mami< bezeichnete, aber sie protestierte stark und mit allem Nachdruck dagegen. Sie hatte die Verantwortung für das Füttern der Kälber übernommen, und diese hatten das schnell begriffen. Sie brauchten bloß ihre Schritte von weitem zu hören oder ihre Stimmen zu vernehmen, und sofort machten sie sich lauthals bemerkbar.
    Die Einheimischen waren sich alle darüber einig, daß die ersten Wochen die riskantesten im Leben der Kälber sind. »Wenn du sie durch den ersten Monat bekommst, ist das Schlimmste vorbei«, sagten sie zu uns. »Sobald du sie entwöhnt hast, bist du fein raus. Die Mühsal ist vorbei, du brauchst jetzt nur noch zuzuschauen, wie sie heranwachsen.«
    Damit der Optimismus nicht überhand nähme, warnten sie uns: »Achtet auf die gefährliche Darmkrankheit. Wenn sie die kriegen, kann man nicht mehr viel tun, sondern gräbt am besten ein Loch.«
    In ständiger Angst, etwas könnte schiefgehen, bewegten wir uns und beobachteten die Ausscheidungen der Kälber recht genau, wie heidnische Priester die Eingeweide für Orakel untersuchten.
    Tatsächlich sterben eine beachtliche Anzahl Kälber in den ersten sechs Lebensmonaten. Meistens tritt der Tod in den ersten Wochen ein, und zwar — wie uns die Nachbarn sagten — aufgrund einer Darmkrankheit. Die davon heimgesuchten Kälber werden appetitlos und so schwach, daß sie für Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel Lungenentzündung, keine Abwehrstoffe mehr haben. Daran gehen sie dann zugrunde.
    Doch obgleich uns diese Tatsachen bekannt waren, erschütterte uns dieser Schlag nicht wenig, als er eintrat. Die arme Plain Jane wurde teilnahmslos, ihr Kopf hing müde herab, sie sah erbärmlich und schlapp aus. Sie bekam den gefürchteten Durchfall. Erschwerend kam hinzu, daß wir durch eine sehr kalte und äußerst unfreundliche Wetterperiode gingen, was dem armen Tierchen zusätzlich zu schaffen machte.
    Der Veterinär, ein großer, düsterer Mann aus Wales, gab ihr zwar Spritzen, doch er hatte wenig Hoffnung. Jede Woche, wenn nicht sogar jeden Tag erlebte er diese Situation. Für uns allerdings war es, als wäre ein Familienmitglied krank.
    Wir legten Plain Jane allein in einen Stall, wickelten sie in einen alten Sack und wärmten sie mit einer geliehenen Infrarotlampe. Doch alles war umsonst. Sie wurde schwächer und schwächer. Besonders deprimierend war das für Shirley, die das Kälbchen pflegte und versuchte, etwas Milch in das Maul zu träufeln. Die Hilflosigkeit und Geduld des Tieres gingen ihr sehr zu Herzen; als ich eines Nachmittags von den Feldern zurückkam, fand ich sie weinend. Sie war in den Stall gekommen und hatte dort das tote Kalb entdeckt.
    Im Dorfkrug zeigte man Mitleid. Aber für die Männer dort wie für den Tierarzt waren

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