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Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge

Titel: Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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wie Heiraten oder Kinder, Beziehungen, die uns über Wasser halten, aber solch mächtiger Auftrieb birgt gefährliche Unterströmungen in sich. Deshalb braucht man dazu noch den Auftrieb im Kleinen: ein freundlicher Verkäufer bei Bradlees etwa oder die Kellnerin bei Dunkin’ Donuts, die weiß, wie man seinen Kaffee möchte. Keine leichte Sache also.
    »Hübsches Fleckchen, das Suzanne sich da ausgesucht hat«, sagt eine von den tiefen Stimmen vor dem Fenster. Sehr deutlich zu hören; sie müssen sich umgedreht haben, so dass sie jetzt zum Haus schauen.
    »Ja, traumhaft«, sagt die andere Stimme. »Wir haben hier mal Ferien gemacht, als ich klein war, Speckled Egg Harbor hieß das Nest, glaube ich. Oder so ähnlich.«
    Kultivierte Männer bei einer Zigarette. Aber wehe, ihr trampelt durch die Gladiolen, denkt Olive, oder fackelt uns den Zaun ab. Sie ist schläfrig, und es ist kein unangenehmes Gefühl. Sie könnte auf der Stelle eindösen, wenn man sie ließe, zwanzig Minuten nur, und danach die Runde drehen und sich verabschieden, klar im Kopf und entspannt von ihrem Nickerchen. Janice Bernsteins Hand nehmen und sie ein paar Sekunden drücken, eine huldvolle grauhaarige Dame sein, angenehm füllig in ihrem fließenden, rotgeblümten Kleid.
    Die Fliegentür schlägt erneut. »Die Raucherbein-Brigade«, sagt Suzannes muntere Stimme, begleitet von einem Händeklatschen.
    Olives Augen öffnen sich schlagartig. Panik steigt in ihr auf, fast als wäre sie selbst es, die im Wald beim Rauchen erwischt worden ist.

    »Ihr wisst schon, dass diese Dinger tödlich sein können?«
    »Sag bloß«, meint der eine Mann leutselig. »Suzanne, ich glaube, das hör ich zum ersten Mal.«
    Die Fliegentür klappt auf und wieder zu, jemand ist nach drinnen gegangen. Olive setzt sich auf; ihr Schläfchen kann sie vergessen.
    Jetzt dringt eine weichere Stimme zu ihr herein. Diese dürre kleine Freundin von Suzanne, denkt Olive, die in dem Kleid, das aussieht, als hätte sie sich in Seetang gewickelt. »Na, kannst du noch?«
    »Do-och.« Suzanne dehnt das Wort auf so eine gewisse Art - genüsslich, denkt Olive.
    »Und, Suzie, wie gefällt dir deine neue Verwandtschaft?«
    Olives Herz hämmert, als sie zur Bettkante vorrutscht.
    »Es ist hochinteressant«, sagt Suzanne. Ihr Tonfall ist ernst und gedämpft: Dr. Sue, die ihre Expertenmeinung zum Thema Darmparasiten abgibt. Sie senkt die Stimme, und Olive kann nichts mehr verstehen.
    »Das denke ich mir.« Murmel, murmel. »Der Vater …«
    »Oh, Henry ist ein absoluter Schatz.«
    Olive steht auf, Schritt für Schritt schiebt sie sich an der Wand entlang aufs offene Fenster zu. Ein schräger Spätnachmittagssonnenstrahl kitzelt ihre Schläfe, als sie den Kopf vorstreckt, um in dem Murmeln der Frauen Worte zu unterscheiden.
    »Großer Gott, ja!« Suzannes verhaltene Stimme ist plötzlich klar zu hören. »Ich dachte, ich seh nicht recht. Ich meine, dass sie es allen Ernstes anzieht !«
    Das Kleid, denkt Olive. Sie drückt sich wieder dicht an die Wand.
    »Gut, die Leute hier kleiden sich anders.«
    Das kannst du laut sagen, denkt Olive. Aber sie fühlt sich wie betäubt auf ihre Unterwasser-Art.

    Seetang-Röllchen murmelt wieder etwas. Ihre Worte sind kaum auszumachen, aber Olive hört »Chris« heraus.
    »Sehr speziell«, antwortet Suzanne ernsthaft, und Olive ist es, als säßen die beiden Frauen in einem Ruderboot über ihr, während sie selbst immer tiefer im schlammigen Wasser versinkt. »Er hat einiges hinter sich, weißt du. Und als Einzelkind auch noch - das hat es für ihn noch mal schlimmer gemacht.«
    Seetanggemurmel, dann durchschneidet wieder Suzannes Ruder das Wasser. »Die Er war tungen, weißt du.«
    Olive dreht sich um und schickt einen langen Blick durch das Zimmer. Das Schlafzimmer ihres Sohnes. Sie hat es gebaut, und es ist voller vertrauter Dinge, die Kommode zum Beispiel, und der Teppich, den sie vor vielen Jahren geflochten hat. Aber etwas Taubes, Breiiges, Schwarzes schwillt in ihr an.
    Er hat einiges hinter sich, weißt du.
    Fast geduckt stiehlt sich Olive zurück zum Bett und lässt sich vorsichtig darauf nieder. Was hat er Suzanne erzählt? Einiges hinter sich. Unter ihrer Zunge, hinten an den Backenzähnen, sammelt sich der Speichel. Flüchtig sieht sie wieder Suzannes Hand vor sich, die sich so flink und leicht um den Kopf des kleinen Mädchens wölbt. Was hat Christopher gesagt? Woran hat er sich erinnert? Man kann nur nach vorne schauen, denkt sie. Man darf nur

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