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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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versehen. Die Tür war holzverkleidet, sie sah massiv aus. Es gab nur eine Klingel, das Klingelschild war nicht beschriftet. Stachelmann drückte den Knopf, ein Glokkenton erklang wie in weiter Ferne. Dann wurde die Tür einen Spalt geöffnet, eine Sicherheitskette spannte sich. Ein Gesicht schaute durch den Spalt. Es war knochig, mit kleinen Augen hinter einer schweren runden Brille aus Horn. Der Mann hatte eine Stirnglatze, die Haare fielen glatt in den Nacken. Der sieht nicht aus wie ein Casanova, dachte Stachelmann.
    »Ich bin Dr. Stachelmann.«
    Der Mann zog die Tür fast zu, entfernte die Kette und öffnete die Tür. Er streckte Stachelmann die Hand hin.
    »Ich bin Karsten Pawelczyk.« Er sprach leise und langsam.
    Er führte Stachelmann durch eine mit Akten, Büchern und Möbeln fast blockierte Diele in das Wohnzimmer. Auch hier lag vieles durcheinander. Pawelczyk befreite einen Sessel und das Sofa von Ordnern und Büchern. Er warf sie auf den Boden, es staubte. Dann wies er auf den Sessel und verschwand. »Sie trinken bestimmt einen Kaffee mit.«
    Stachelmann überlegte, ob es in der Küche so schmutzig war wie im Wohnzimmer, sagte aber nichts. Er sah durch die Terrassentür zum Garten hinaus, wo Gartengeräte, Reifen und Fahrradteile durcheinander lagen. Pawelczyk kam zurück mit einer Thermoskanne und zwei Tassen. Er goss ein und setzte sich aufs Sofa.
    »Sie suchen also Wolle?«
    »Wolf Griesbach. Wie ich Ihnen am Telefon sagte, ist er Dienstagabend nach Berlin gefahren, seitdem wird er vermisst.«
    »Von Ines?«
    »Ja.«
    »Ist sie noch schön?«
    Stachelmann zögerte. »Ich kann es nicht vergleichen. Aber sie ist eine attraktive Frau.« »Vielleicht ein bisschen dürr«, sagte Pawelczyk. »Früher jedenfalls.«
    »Vielleicht. Haben Sie Griesbach gesehen?«
    Pawelczyk schüttelte den Kopf. Seine Haare wedelten mit. Stachelmann erkannte graue Strähnen. »Das habe ich doch schon gesagt. Sie dürfen mir ruhig glauben. Aber ich weiß, wo Sie ihn suchen müssen.«
    »Und wo?«
    »Fragen Sie mal den Henry Wittstock.«
    Stachelmann spürte Zorn aufsteigen. Er hätte den Mann am liebsten angeschnauzt. Ist das ein Ratespiel? Erklären Sie mir die Regeln! Stattdessen sagte er betont sanft: »Wer ist Henry Wittfogel?«
    »Stock«, sagte Pawelczyk. »Wittstock.«
    Stachelmann nickte.
    »Er war gewissermaßen das Gleiche wie ich und Wolle.«
    »Ach ja. Und was sind Sie?«
    »Das wissen Sie nicht?«
    »Nein.« Er hätte gerne gefragt, warum er Pawelczyk die Antworten wie Würmer aus der Nase ziehen musste.
    »Dann tappen Sie ja im Dunkeln.«
    »Ja.«
    »Na, dann wollen wir mal das Licht einschalten.«
    Pawelczyk grinste. Er genoss es, Stachelmann zappeln zu lassen.
    »Ich habe immer gewusst, dass Wolle mal draufgehen würde.«
    »Draufgehen?«
    »Glauben Sie, der ist abgetaucht oder auf den Fidschiinseln, vergnügt sich mit Südseeschönen? Wenn Wolle verschwindet, einfach so, dann ist er tot. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten. Unfall oder Mord.«
    »Jetzt verraten Sie mir bestimmt gleich, wo ich die Leiche finde.« Pawelczyk ließ sich nicht beunruhigen. Er grinste. »Eines nach dem anderen. Und so viel weiß ich dann doch nicht.« Er lehnte sich zurück, wischte über die Sitzfläche des Sofas, Staub stieg auf. »Aber irgendwo wird die Leiche schon sein. Haben Sie die Krankenhäuser abgeklappert?«
    »Nicht ich, aber ein Bekannter.«
    »Das spricht für Mord.«
    »Und wer ist der Mörder?«
    »Das weiß nur Henry.«
    »Wo finde ich diesen Henry?«
    »Eines nach dem anderen.«
    »Sie haben vorhin gesagt, Griesbach sei das Gleiche gewesen wie Sie und Henry. Was waren Sie?«
    »Wir haben Leute rausgeholt aus der DDR. Wir waren Fluchthelfer. Wir haben unser Leben riskiert dafür, dass andere in die Freiheit kamen.«
    Stachelmann wusste es, aber er sagte nichts. Er begriff, Pawelczyk genoss dieses Gespräch. Der fühlte sich unwichtig seit dem Untergang der DDR, Heldentaten waren nicht mehr gefragt. Er hatte wohl seit Jahren keine Möglichkeit gehabt, von früher zu erzählen. Wer interessierte sich noch für Fluchthelfer? Selbst die einstigen Bürgerrechtler sind großteils in der Versenkung verschwunden, erst recht die Fluchthelfer, umgab die doch der Geruch der Geschäftemacherei. »Umsonst haben Sie es ja nicht gemacht«, sagte Stachelmann. Er bereute die Bemerkung gleich. Welchen Sinn hatte es, den Mann zu verärgern?
    Der ärgerte sich nicht, jedenfalls ließ er sich nichts anmerken. »Na, die Unkosten

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