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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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wollten wir schon raushaben. Fluchthilfe war teuer und riskant. Es hat nicht wenige erwischt, die genossen dann den Sozialismus ganz real in Bautzen, Rummelsburg und so.« Er ließ sich Zeit für jedes Wort.
    »Sie nicht.«
    »Ich nicht.«
    »Lassen Sie mich zurückkommen auf den Grund meines Besuchs. Sie sagten, Griesbach sei tot.«
    »Wolle ist zuverlässiger als eine Schweizer Uhr. Wenn der verschwindet, ist er tot. Sonst würde er sich melden. Es sei denn, er wäre ein anderer Mensch geworden. Ohne Wolle hätte unser Laden nicht so gut funktioniert.«
    »Der war also auch Fluchthelfer.«
    »Sag ich doch.«
    Zum ersten Mal glaubte Stachelmann Ungeduld in Pawelczyks Augen zu entdecken. »Hier in Berlin?«
    »Hier in Berlin.«
    »Und dieser Henry, wo wohnt der?«
    »Weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass der vor ein paar Jahren umgezogen ist. Hatte ’ne Wohnung in Kreuzberg, jetzt soll er im Osten hausen. Der hat immer mit Wolle zusammengehockt.
    Wenn Wolle in Berlin war, dann hat er bestimmt Henry besucht. Henry kam auch aus der DDR, ist freigekauft worden.«
    »Henry Wittstock«, wiederholte Stachelmann. Er kramte in seinem Jackett, dann fiel ihm ein, er hatte seinen Notizkalender verlegt. »Haben Sie ein Blatt Papier für mich?«
    »Nehmen Sie eins«, sagte Pawelczyk. Er deutete auf einen Haufen neben dem Wohnzimmertisch.
    Stachelmann griff in Staub und zog ein Blatt vom Stapel, die eine Seite war beschriftet mit Schreibmaschine, die andere leer bis auf Bleistiftkritzeleien. Er notierte den Namen und bat Pawelczyk um ein Telefonbuch. Er fand einen Wittstock, Heinrich, Stachelmann schrieb die Nummer auf. Eine Adresse war nicht vermerkt. Stachelmann überlegte, ob er Pawelczyk noch ein paar Fragen stellen sollte, aber er hatte keine Lust, sich dessen Selbstdarstellungsdrang weiter auszusetzen. Er forschte nicht über Fluchthelfer, sondern wollte herausfinden, wo Griesbach sich herumtrieb. Dieser Wittstock würde ihm am Telefon gleich sagen können, ob er wusste, wo Griesbach sich aufhielt. Und dann konnte Stachelmann mit gutem Gewissen nach Hause fahren. Stachelmann faltete den Zettel und stand auf.
    »Und was war das, was Sie mir am Telefon nicht sagen wollten?«
    Pawelczyk winkte ab. »Nicht wichtig.«
    »Wichtig genug, um mich nach Berlin fahren zu lassen.« Stachelmann spürte die Wut in sich aufsteigen.
    »Das war nicht meine Idee. Und was machen Sie nun? Fahren Sie zu Henry?«
    »Ich weiß nicht«, log Stachelmann. Je länger er mit Pawelczyk zu tun hatte, desto mehr widerte der ihn an. Ein Schwätzer, entschied Stachelmann, ein Wichtigtuer. Für dieses Geschwätz musste er nach Berlin reisen. Er reichte Pawelczyk widerwillig die Hand und ging. Stachelmann sah ihn im Augenwinkel an der Tür stehen, als er wegfuhr. Nach der ersten Ecke parkte er den Wagen am Straßenrand. Dann nahm er sein Handy und wählte Wittstocks Nummer. Es meldete sich ein Anrufbeantworter. Stachelmann bat um Rückruf und hinterließ seine Handynummer. Er fuhr ein Stück weiter, bis er ein Café fand.
    Er saß allein im Gastraum, hin und wieder sah er in einem Wandspiegel, wie die Tür sich öffnete und Leute am Tresen Kuchen kauften. Er blätterte in den Zeitschriften, die auslagen, und staunte, worüber Journalisten schrieben und was Menschen lasen. Ein Bericht über Schönheitsoperationen brachte ihn zum Lachen. Eine alte Frau servierte ihm einen Kaffee und ein Stück Schokoladentorte, dem er ansah, was es in seinem Magen anrichten würde. Er hatte gerade den ersten Bissen hinuntergeschluckt, da klingelte sein Handy. Er war überrascht, als Ines sich meldete. Sie fragte, ob sie ihn störe.
    »Nein.«
    »Hast du ihn gefunden?«
    »Nein.«
    »Ich stör dich doch.«
    »Nein. Offen gesagt, ich weiß nicht, was ich hier soll. Warum suche ich deinen Mann? Was geht es mich an?«
    »Du hast Recht. Du verplemperst deine Zeit. Tut mir Leid, ich war egoistisch. Fahr nach Hause.« Sie sprach sanft.
    Ihr Verständnis rührte ihn. »Ich bin genervt, dieser Pawelczyk ist schuld, dass ich nach Berlin gefahren bin. Und das nur, um mir sein Geschwätz anzuhören.«
    »Der ist ein Angeber, ich weiß. War er früher auch. Und nun?«
    »Jetzt warte ich auf den Rückruf eines Heinrich Wittstock.«
    »Henry«, sagte sie. »Ja, den hatte ich ganz vergessen. Der könnte was wissen.« »Warum war dein Mann Fluchthelfer?«
    »Aus Überzeugung.«
    »Und die anderen?«
    »Angeblich auch. Aber ich würde nicht für jeden von denen meine Hand ins Feuer

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