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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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mochten die Auskünfte helfen oder nicht?
    Kurz vor zehn öffnete er die Haustür und suchte den Namen auf den Briefkästen im Eingangsflur. Meyer/Wittstock stand da, aber nicht, in welchem Stock. Er verließ das Haus noch einmal und entdeckte erst jetzt die Klingeln. Er fand auch hier Meyer/Wittstock und drückte. Es tat sich nichts. Er drückte noch einmal. Nichts. Er ging wieder ins Haus und schaute sich um. Er entdeckte einen Aufzug, drückte auf den Knopf, um ihn zu holen, aber es bewegte sich nichts. Er drückte mehrmals, ohne Erfolg. Dann hörte er schlurfende Schritte und ein Klopfen in seinem Rücken. Ein Mann mit Stock kam die Treppe herunter. »Der geht nicht«, sagte er.
    »Und die Klingeln?«
    »Schon lange nicht mehr. Die KWV tut nichts. Wie früher.« Er ging schimpfend hinaus, und Stachelmann fluchte leise, dass er den Mann nicht gefragt hatte, wo Wittstock wohnte. Stachelmann stieg die Treppe hinauf und las die Namen auf Klingelschildern und Türen. Kitschwerke an Wohnungstüren und auf Fußabtretern, goldglänzende Namensschilder, hin und wieder waren nur Zettel in die Plastikfenster der Klingel gesteckt, mit Kugelschreiber beschriftet. Im siebten oder achten Stock legte Stachelmann eine Pause ein, die Knie schmerzten böse. Er lehnte sich an die Wand. Irgendwo pfiff ein Teekessel, er hörte ein Fernsehgerät und zwei oder drei Radios. Ein Kind schrie, eine Frau übertönte es. Er schaute aus dem Fenster, feine Schneeflocken tanzten im Wind. Ein Wartburg fuhr los mit einer schwarzen Wolke aus dem Auspuff. Gedämpft drang das Geknatter des Zweitakters durch die Scheibe. Stachelmann hatte den Geruch verbrannten Öls in der Nase, obwohl er unmöglich die Auspuffgase des Autos riechen konnte. Dann wurde der eingebildete Geruch überlagert durch die Erinnerung an den Braunkohledunst, unter dem die DDR lag, wenn es kalt wurde. Eine Tür öffnete sich und fiel gleich wieder zu. Stachelmann glaubte, ein Huch gehört zu haben. Die Tür öffnete sich langsam wieder. Der Kopf einer jungen Frau erschien. »Wollen Sie zu mir?«
    »Nein.« Stachelmann schüttelte den Kopf. »Ich suche Herrn Wittstock.«
    »Da müssen Sie noch ein paar Treppen höher. Ich glaube, die wohnen im elften Stock oder im zwölften.«
    Stachelmann stieg die Treppen weiter hoch. Dann entdeckte er die Tür mit den in Holz geritzten Namen Meyer/Wittstock. Vor der Tür ein Fußabtreter mit der Aufforderung »Haxen abkratzen«. Er klingelte. Der Türspion verdunkelte sich kurz, dann öffnete sich die Wohnungstür, eine Kette spannte sich im Spalt. Eine klein gewachsene Frau mit kräftig geschminktem Gesicht schaute ihn stumpf an. »Ja?«
    »Ich bin mit Herrn Wittstock verabredet.«
    Die Frau drehte sich um. »Henry! Eena für dich!« Sie hatte eine ordinäre Stimme. »Nu komm!«
    Das Gesicht der Frau verschwand, das fleischige Gesicht eines Mannes erschien. »Sie sind der Herr Stachelmann?«
    Als Stachelmann nickte, zog der Mann die Kette aus dem Verschluss, öffnete die Tür und trat zur Seite. »Na, dann kommense mal.« Auch er berlinerte, aber es klang gemütlich. Wittstock führte Stachelmann in die Küche. Sie glänzte vor Sauberkeit. Die Frau war in einem anderen Zimmer verschwunden. Wittstock stellte eine Tasse auf den Tisch. »Milch? Zucker?«
    »Schwarz«, sagte Stachelmann.
    »Auch gut.« Wittstock strich sich durch die kurzen roten Haare.
    Er goss Stachelmann einen Kaffee ein. »Nehmen Sie Platz.« Er setzte sich Stachelmann gegenüber an den Küchentisch, das Fenster im Rücken. Die Schneeflocken waren dicker gewor
    den. »Sie suchen Wolle?«
    Stachelmann nickte. »Ich hoffe, Sie können mir helfen.«
    »Und warum suchen Sie ihn?«
    »Seine Frau vermisst ihn.«
    Wittstock überlegte. »Wie hieß die noch mal, Irene?«
    »Ines«, sagte Stachelmann.
    »Stimmt, ’n hübscher Käfer. Nicht mein Fall, aber« – seine Hände formten zwei Hügel vor der Brust – »ein hübscher Käfer.«
    Stachelmann trank einen Schluck Kaffee, er war dünn.
    »Wann haben Sie Herrn Griesbach zuletzt gesehen?«
    Wittstock blies Luft durch die nach vorn gewölbten Lippen aus. »Vor ein paar Jahren.«
    »Das heißt, Sie können mir nicht helfen.« Stachelmann mühte sich, seinen Zorn nicht zu zeigen.
    »Das heißt es nicht.« Er drehte seinen Kopf zur Tür.
    »Hertha, wie heißt die Kleingartensiedlung, wo wir mit Wolle manchmal einen gehoben haben?«
    Keine Antwort.
    »Hertha!« Er brüllte.
    Eine Tür klapperte. Sie erschien. »Wat is?«
    Wittstock

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