Mit deinen Augen
Golfplätze. Der eine will einen Target-Supermarkt, der nächste einen Wal-Mart. Der eine will einen Bioladen à la Whole Foods, der andere die Modekette Nordstrom.
Michael Nasser, unser Anwalt, möchte, dass wir das Angebot von Holitzer Properties annehmen. Ich weiß, dass ein paar meiner Cousins sauer sind, weil Holitzer nicht die höchste Summe bietet, und außerdem ist Michael Nassers Tochter mit dem Sohn von Holitzers Finanzchef verheiratet. Die Cousins sind nicht einverstanden, weil es nach Insidergeschäft riecht, aber ich finde, es wäre ein kluger Schachzug, einen Käufer auszuwählen, der hier verwurzelt ist. Joanie fand das auch, das weiß ich. Zu meiner Verblüffung hat sie nämlich das Thema immer wieder angesprochen. Sie wusste erstaunlich viel über die Käufer und die Zahlen, was mich regelrecht schockierte. Sonst interessiert sie sich nie für irgendetwas, woran ich arbeite. Wenn ich mit ihr über meine Fälle reden will, hält sie sich immer die Ohren zu und schüttelt den Kopf.
Aber meine Freude darüber, dass sie mich abends fragte, wie es mit dem Verkauf läuft, schlug gelegentlich in Paranoia um, und das war schon der Fall, bevor ich das blaue Kärtchen gefunden hatte. Will sie sich vielleicht von mir scheiden lassen, nachdem ich meine Anteile verkauft habe?, fragte ich mich. Aber dann hätte sie mich doch sicher gedrängt, mit dem Käufer ins Geschäft zu kommen, der am meisten Kohle verspricht, und nicht mit Holitzer.
»Verkauf doch einfach an Holitzer, dann ist das erledigt und du kannst zum nächsten Projekt übergehen«, sagte sie eines Abends. Wir lagen schon im Bett, und sie blätterte in einer Zeitschrift über Kücheneinrichtungen. »Die anderen ziehen womöglich zurück. Und Holitzer ist von hier. Seine Familie stammt aus Kauai. Arbeiterklasse. Holitzer ist dein Mann.«
»Warum legst du dich so für ihn ins Zeug?«, fragte ich.
»Weil er mir vorkommt wie eine gute Wahl. Keine Ahnung.«
»Ich glaube, ich bin für die New Yorker«, sagte ich, um ihre Reaktion zu testen.
»Da bin ich ja mal gespannt.« Sie blätterte in ihrer Zeitschrift. »Die Spüle hier finde ich übrigens super«, sagte sie. »Schau mal.«
Ich betrachtete die Spüle. »Aber sie hat nur ein Becken. Man kann nirgends etwas abstellen.«
»Ja, genau. Dann steht nicht dauernd irgendwelches Zeug herum. Leicht zu putzen. Manchmal ist das, was am unpraktischsten scheint, am sinnvollsten.«
Ich merkte, wie ihre Mundwinkel nach oben gingen, und musste lachen. Sie hat eine Begabung, ein Thema über ein anderes, das gar nicht damit zusammenhängt, weiterzuverfolgen. »Joanie«, sagte ich, »du bist einfach klasse.«
Ich sehe mir das höchste Gebot an, von einer börsennotierten Firma aus New York, die fast eine halbe Milliarde Dollar bietet. Ich habe Bedenken, New Yorkern so viel Land zu überlassen. Es erscheint mir nicht angemessen, und vielleicht war das ja auch der Grund, weshalb Joanie nicht so angetan war. Sie wollte, dass unser Land in die richtigen Hände kommt.
Ich denke an das Begräbnis meines Vaters, als sich alle Leute in die vorderen Bänke quetschten, als wäre sein Tod die beste Show in der ganzen Stadt.
»Die Leute warten nur darauf, dass ich sterbe«, hat er einmal zu mir gesagt.Wir saßen, wie so oft, in seinem Hinterzimmer - er blätterte immer gern in seinen Büchern, in denen er irgendwelche Zeitungsausschnitte aufbewahrte.
»Leb bitte weiter«, sagte ich.
Er nahm ein Buch über Oliver Wendell Holmes, Jr., holte einen Artikel zwischen den Seiten hervor und las ihn mir vor: »›Ein gewaltiger Wolkenbruch ging nieder, der genau in dem Moment, als Prinzessin Kekipi starb, noch viel stärker wurde. Die Hawaiianer sagen, wenn es beim Tod eines Menschen oder bei einem Begräbnis regnet: Kulu ka waikama, uwe’opu , was so viel heißt wie ›Die Tränen fallen, die Wolken weinen.‹ Die Götter vermischen ihre Tränen der Zuneigung mit den Tränen derer, die aus Trauer und Aloha , also Zärtlichkeit, weinen.‹«
»Im November regnet es die ganze Zeit«, fügte er hinzu und legte den Artikel wieder in das Buch zurück. »Alle lauerten doch nur darauf, endlich das Land zu bekommen. Das hat nicht geklappt, und jetzt warten sie auf mich.«
Es ist sicher seltsam, wenn man weiß, dass die Leute auf den eigenen Tod spekulieren. Jetzt müssen die einundzwanzig Erben nicht länger warten, denn mein Vater ist nicht mehr da. Ich möchte mich für Holitzer entscheiden, weil er von hier ist, aber wenn man
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