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Mit deinen Augen

Mit deinen Augen

Titel: Mit deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaui Hart Hemmings
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offene Terrasse mit Korallensteinsäulen und Deckenventilatoren. Der Großvater meines Vetters, ein begeisterter Wassersportfan, hat diesen Club vor hundert Jahren gegründet. Für zehn Dollar im Jahr hat er das Strandgrundstück von der Königin gepachtet. In der Lobby hängt neben dem Bild des Duke Kahanamoku eine Plakette, auf der steht MÖGE DIES EIN ORT SEIN, AN DEM DER MENSCH MIT SONNE, SAND UND SEE UMGANG PFLEGEN KANN, WO KAMERADSCHAFT UND ALOHA HERRSCHEN UND DER SPORT DES ALTEN HAWAI’I IMMER EINE HEIMAT HAT. Heute kann jeder hier mit Sonne, Sand und Meer Umgang pflegen, sofern er eine Startsumme von fünfzehntausend Dollar und die monatlichen Beiträge bezahlt sowie ein Aufnahmeverfahren besteht, das Personen mit weniger edlem Stammbaum tendenziell ausschließt. Ich habe versucht, Scottie diese Tatsache zu erklären, als der Vater ihrer Freundin nicht aufgenommen wurde. Der Ausschuss befand, er habe Verbindungen zur Yakuza. Scottie verstand die Logik nicht.
    »Kein so edler Stammbaum?«, fragte sie. »Wie bei den Pekinesen?«
    Diese kleinen Hunde hassen wir alle miteinander.
    »In gewisser Weise, ja. Das heißt, nein. Es ist kein gutes Verfahren, Schätzchen.« Ich mochte den Vater ihrer Freundin. Er war ein stiller Mann. So viele Leute, die ich kennen, quasseln einem die Ohren voll, aber wenn ich ihm zufällig über den Weg gelaufen bin, haben wir uns nie auf die Ebene des Small Talks begeben, und unsere kurzen Gespräche waren immer anregend. Das Gerücht, dass er Kontakte zur japanischen Mafia habe, machte ihn mir noch sympathischer. Ich meine - einen Freund bei der Mafia hätte doch jeder gern.
    Ich folge Scottie, vorbei an den großen offenen Fenstern mit den Holzjalousien. Sie geht zur unteren Terrasse und dann die Stufen zum Speisesaal hinauf, der vergleichsweise leer ist.
    Jetzt sind alle draußen und praktizieren die Sportarten des alten Hawaii sowie die Sportarten des neuen Hawaii - der Club gilt nämlich auch als Geburtsstätte des Beach-Volleyballs, und ständig werden irgendwelche Bälle über Spielfeldlinien geschlagen und landen auf den Köpfen ahnungsloser Sonnenanbeter.
    »Wir können erst wieder gehen, wenn ich etwas Komisches erlebt habe - oder etwas Trauriges oder etwas Schlimmes«, verkündet Scottie.
    »Ich werde dich nicht aus den Augen lassen.«
    »Ach nein!«
    »Ach ja. Ich komme dir nicht in die Quere, aber ich lasse dich nicht allein.«
    »Das ist nicht fair. Echt, das ist total peinlich.« Sie schaut sich um.
    »Tu einfach so, als wäre ich nicht da«, sage ich. »Aber da lasse ich nicht mit mir verhandeln. Deine Freundinnen sind doch sowieso alle in der Schule.« Ich sollte sie wieder in den Unterricht schicken. Dann könnte ich arbeiten, und sie würde etwas lernen. Ich weiß selbst nicht, weshalb ich sie plötzlich pausenlos unter meiner Fuchtel haben muss.
    Scottie deutet zu den Tischen am Rand des Speisesaals und sagt, ich solle mich da irgendwo hinsetzen. An einem der Tische sitzen ein paar Damen und spielen Karten. Ich mag diese Damen. Sie sind alle mindestens achtzig, und sie tragen Tennisröckchen, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass sie immer noch Tennis spielen.
    Scottie strebt zum Tresen. Jerry, der Bartender, nickt mir zu. Ich beobachte, wie Scottie auf einen Barhocker klettert und Jerry ihr einen Virgin Daiquiri mixt. Dann lässt er sie ein paar seiner eigenen Kreationen probieren. »Der mit Guave ist gut«, höre ich sie sagen. »Aber von Limetten kriege ich Fieber.«
    Ich lese die Zeitung, die ich von einer der Damen geborgt habe. Aber ich habe mir einen Tisch ausgesucht, der etwas näher bei der Bar ist, damit ich alles mitkriege.
    »Wie geht’s deiner Mom?«, erkundigt sich Jerry.
    »Sie schläft immer noch.« Scottie rutscht auf ihrem Hocker hin und her. Ihre Füße reichen nicht bis zur Metallfußstütze, also überkreuzt sie die Beine auf der Sitzfläche und balanciert sich aus.
    »Sag ihr doch mal viele Grüße von mir. Du kannst ihr ausrichten, dass wir alle auf sie warten.«
    Ich kann richtig sehen, wie Scottie nachdenkt. »Ich rede nicht mit ihr«, sagt sie schließlich, und ihre Ehrlichkeit überrascht mich.
    Jerry sprüht einen Wirbel Schlagsahne in ihren Drink. Scottie nimmt einen kräftigen Schluck von ihrem Daiquiri und reibt sich die Stirn. Sie wiederholt den Vorgang, dreht sich dann auf ihrem Hocker im Kreis, macht ein Foto von Jerry und beginnt zu singen: » Jedermann liebt mich, nur mein Mann ignoriert mich, da bleibt mir nur noch der

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