Mit deinen Augen
Leuchten. Noch nicht ganz, aber bald.Wenn die Sonne hinter dem Horizont versinkt, gibt es manchmal diesen grünen Strahl, der aussieht wie ein Blitz aus dem Meer. Auf das grüne Leuchten zu warten, gehört zu den traditionellen Beschäftigungen hier: Alle sitzen da und hoffen, dass sie es nicht verpassen. Ich muss plötzlich daran denken, dass ich Scottie dringend nach Hause bringen muss, damit ich wieder ins Krankenhaus fahren kann.
Kinder kommen aus dem Wasser und rennen in die Handtücher, die ihre Mütter für sie aufhalten. Die Stimme einer Frau weht vom Ozean zu mir herüber. Sie ist weit weg, aber klar. »Komm raus, Schätzchen. Sie sind überall!«
Scottie schwimmt als einziges Kind noch im Meer. Ich nehme ihre Sachen und springe von der Mauer. »Scottie!«, rufe ich. »Scottie, komm sofort aus dem Wasser.«
»Da draußen sind portugiesische Galeeren, Sie wissen doch, diese giftigen Staatsquallen oder Polypen oder was«, erklärt mir die Frau von Weitem. Ein kleiner Junge klammert sich an ihr Bein, und sie versucht, ihn abzuschütteln. »Die Wellen müssen sie hergespült haben. Ist das da draußen Ihre Tochter?« Die Frau deutet auf Scottie, die jetzt von den Katamaranen zurück zum Ufer schwimmt.
»Ja«, sage ich. Sie ist meine Tochter, aber ich weiß nicht, was ich mit ihr anfangen soll.
Endlich kommt Scottie aus dem Wasser. Sie hat einen winzigen Polyp in der Hand - den klumpigen Körper und die klare blaue Gasblase. Ein dunkelblauer Fangarm schlingt sich um ihr Handgelenk.
Mit einem Stock entferne ich ihn. »Was soll das? Warum tust du so was?« Ich steche die Blase auf, damit sie nicht noch ein Kind verletzt.
Die anderen Kinder starren auf Scotties Arm, auf dem jetzt eine rote Linie erscheint. Sie weichen ein paar Schritte zurück. Der kleine Junge wackelt zu dem Polyp. »Ballon?« Er will danach greifen, aber seine Mom packt ihn an der Hand und zieht ihn weg. Er lässt sich heulend in den Sand fallen.
»Soll ich die Strandwache holen?«, fragt die Frau.
»Ich schaff das schon«, sage ich. »Scottie, geh und spül dir den Arm ab.« Sie läuft zur Terrasse. »Nein. Mit Salzwasser.«
»Es ist nicht nur mein Arm«, murmelt sie. »Ich bin, na ja, durch eine ganze Herde von diesen Dingern geschwommen.«
»Ist alles okay?«, erkundigt sich die Frau. Die anderen Kinder laufen wieder zum Wasser, aber sie schreit: »Hiergeblieben!« - so laut, als wäre sie ein Schiedsrichter.
»Ja, alles okay«, sage ich. Ich will, dass diese Frau verschwindet. Ihr Kind heult immer noch. Das nervt. Kann sie ihm nicht die Flasche geben oder irgendeine Süßigkeit?
Ich drehe ihr den Rücken zu und gehe zum Wasser. »Warum bist du draußen geblieben, Scottie? Wie hast du das nur ausgehalten?«
Mich haben diese Tiere schon tausendmal attackiert; es ist nicht so schlimm, aber Kinder weinen. Jedenfalls erwartet man das von ihnen.
»Ich fand es lustig. Ich wollte Mom erzählen, dass ich von einer ganzen Herde Husaren angegriffen worden bin.«
»Die heißen nicht Husaren. Das weißt du doch, oder?« Als sie klein war, habe ich öfter am Strand vor dem Riff ein paar Bier getrunken und den Sonnenuntergang betrachtet, während Joanie ihre Fitnessübungen machte. Sie wies mich auf verschiedene Meerestiere hin, und ich gab ihnen falsche Namen. Ich nannte die portugiesischen Galeeren - was ja an sich schon ein komischer Name für diese Polypenkolonien ist - Husaren, weil sie mir vorkamen wie winzige kühne Soldaten, die sich mit mächtigen Waffen - gasgefüllte Blasen, peitschenartige Fangfäden - in Trupps vorwärts bewegen, als wär’s ein Husarenritt. Zum Kugelfisch sagte ich Kugelblitz, den Seeigel nannte ich Stachelschwein, und die Meeresschildkröten waren bei mir Salzwasserhelme. Ich fand das lustig, aber jetzt mache ich mir Gedanken, ob Scottie überhaupt die richtigen Bezeichnungen kennt. Ich fürchte, meine Scherze bringen uns alle in Schwierigkeiten.
»Klar weiß ich das«, sagt Scottie. »Es sind portugiesische Galeeren, aber das mit den Husaren ist doch der Witz, den wir bei diesen Quallen immer gemacht haben. Mom findet das bestimmt gut.«
Sie taucht unter.
»Es sind aber auch keine Quallen«, erkläre ich, als sie wieder auftaucht. »Sie sehen nur so aus. Eigentlich sind es Polypen, die so eine Art Kolonie bilden.«
»Oh.« Sie kommt aus dem Wasser und fängt an, sich zu kratzen. An ihrem Oberkörper und an den Beinen erscheinen jetzt überall rote Striche.
»Ich finde das nicht so gut«, sage ich. »Du
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